Mittwoch, 29. Februar 2012

Die faule Spinnerin

128. Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm


Auf einem Dorfe lebte ein Mann und eine Frau, und die Frau war so faul, daß sie immer nichts arbeiten wollte: und was ihr der Mann zu spinnen gab, das spann sie nicht fertig, und was sie auch spann, haspelte sie nicht, sondern ließ alles auf dem Klauel gewickelt liegen. Schalt sie nun der Mann, so war sie mit ihrem Maul doch vornen, und sprach „ei, wie sollt ich haspeln, da ich keinen Haspel habe, geh du erst in den Wald und schaff mir einen.“ „Wenns daran liegt,“ sagte der Mann, „so will ich in den Wald gehen und Haspelholz holen.“ Da fürchtete sich die Frau, wenn er das Holz hätte, daß er daraus einen Haspel machte, und sie abhaspeln und dann wieder frisch spinnen müßte. Sie besann sich ein bischen, da kam ihr ein guter Einfall, und sie lief dem Manne heimlich nach in den Wald. Wie er nun auf einen Baum gestiegen war, das Holz auszulesen und zu hauen, schlich sie darunter in das Gebüsch, wo er sie nicht sehen konnte und rief hinauf

„wer Haspelholz haut, der stirbt,
wer da haspelt der verdirbt.“

Der Mann horchte, legte die Axt eine Weile nieder und dachte nach was das wohl zu bedeuten hätte. „Ei was,“ sprach er endlich, „was wirds gewesen sein! es hat dir in den Ohren geklungen, mache dir keine unnöthige Furcht.“ Also ergriff er die Axt von neuem und wollte zuhauen, da riefs wieder von unten herauf

„wer Haspelholz haut, der stirbt,
wer da haspelt der verdirbt.“

Er hielt ein, kriegte angst und bang und sann dem Ding nach. Wie aber ein Weilchen vorbei war, kam ihm das Herz wieder, und er langte zum drittenmal nach der Axt und wollte zuhauen. Aber zum drittenmale riefs und sprachs laut

„wer Haspelholz haut, der stirbt,
wer da haspelt der verdirbt.“

Da hatte ers genug, und alle Lust war ihm vergangen, so daß er eilends den Baum herunter stieg und sich auf den Heimweg machte. Die Frau lief, was sie konnte, auf Nebenwegen, damit sie eher nach Haus käme. Wie er nun in die Stube trat, that sie unschuldig, als wäre nichts vorgefallen, und sagte „nun, bringst du ein gutes Haspelholz?“ „Nein,“ sprach er, „ich sehe wohl, es geht mit dem Haspeln nicht,“ erzählte ihr was ihm im Walde begegnet war und ließ sie von nun an damit in Ruhe.

Bald hernach fieng der Mann doch wieder an sich über die Unordnung im Hause zu ärgern. „Frau,“ sagte er, „es ist doch eine Schande, daß das gesponnene Garn da auf dem Klauel liegen bleibt.“ „Weißt du was,“ sprach sie, „weil wir doch zu keinem Haspel kommen, so stell dich auf den Boden und ich steh unten, da will ich dir den Klauel hinauf werfen, und du wirfst ihn herunter, so gibts doch einen Strang.“ „Ja, das geht,“ sagte der Mann. Also thaten sie das, und wie sie fertig waren, sprach er „das Garn ist nun gesträngt, nun muß es auch gekocht werden.“ Der Frau ward wieder angst, sie sprach zwar „ja wir wollens gleich morgen früh kochen,“ dachte aber bei sich auf einen neuen Streich. Frühmorgens stand sie auf, machte Feuer an und stellte den Kessel bei, allein statt des Garns legte sie einen Klumpen Werg hinein, und ließ es immer zu kochen. Darauf gieng sie zum Manne, der noch zu Bette lag, und sprach zu ihm „ich muß einmal ausgehen, steh derweil auf und sieh nach dem Garn, das im Kessel überm Feuer steht: aber du mußts bei Zeit thun, gib wohl Acht, denn wo der Hahn kräht, und du sähest nicht nach, wird das Garn zu Werg.“ Der Mann war bei der Hand und wollte nichts versäumen, stand eilends auf, so schnell er konnte, und gieng in die Küche. Wie er aber zum Kessel kam und hinein sah, so erblickte er mit Schrecken nichts als einen Klumpen Werg. Da schwieg der arme Mann mäuschenstill, dachte er hätts versehen und wäre Schuld daran und sprach in Zukunft gar nicht mehr von Garn und Spinnen. Aber das mußt du selbst sagen, es war eine garstige Frau.

Der süße Brei

103. Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm


Es war einmal ein armes frommes Mädchen, das lebte mit seiner Mutter allein, und sie hatten nichts mehr zu essen. Da gieng das Kind hinaus in den Wald, und begegnete ihm da eine alte Frau, die wußte seinen Jammer schon und schenkte ihm ein Töpfchen, zu dem sollt es sagen „Töpfchen, koche,“ so kochte es guten süßen Hirsenbrei, und wenn es sagte „Töpfchen, steh,“ so hörte es wieder auf zu kochen. Das Mädchen brachte den Topf seiner Mutter heim, und nun waren sie ihrer Armuth und ihres Hungers ledig und aßen süßen Brei so oft sie wollten. Auf eine Zeit war das Mädchen ausgegangen, da sprach die Mutter „Töpfchen, koche,“ da kocht es, und sie ißt sich satt; nun will sie daß das Töpfchen wieder aufhören soll, aber sie weiß das Wort nicht. Also kocht es fort, und der Brei steigt über den Rand hinaus und kocht immer zu, die Küche und das ganze Haus voll, und das zweite Haus und dann die Straße, als wollts die ganze Welt satt machen, und ist die größte Noth, und kein Mensch weiß sich da zu helfen. Endlich, wie nur noch ein einziges Haus übrig ist, da kommt das Kind heim, und spricht nur „Töpfchen, steh,“ da steht es und hört auf zu kochen; und wer wieder in die Stadt wollte, der mußte sich durchessen.





Dienstag, 28. Februar 2012

Der Jude im Dorn

110. Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm


Es war einmal ein reicher Mann, der hatte einen Knecht, der diente ihm fleißig und redlich, war alle Morgen der erste aus dem Bett und Abends der letzte hinein, und wenns eine saure Arbeit gab, wo keiner anpacken wollte, so stellte er sich immer zuerst daran. Dabei klagte er nicht, sondern war mit allem zufrieden, und war immer lustig. Als sein Jahr herum war, gab ihm der Herr keinen Lohn und dachte „das ist das gescheidtste, so spare ich etwas, und er geht mir nicht weg, sondern bleibt hübsch im Dienst.“ Der Knecht schwieg auch still, that das zweite Jahr wie das erste seine Arbeit, und als er am Ende desselben abermals keinen Lohn bekam, ließ er sichs gefallen und blieb noch länger. Als auch das dritte Jahr herum war, bedachte sich der Herr, griff in die Tasche, holte aber nichts heraus. Da fieng der Knecht endlich an und sprach „Herr, ich habe euch drei Jahre redlich gedient, seid so gut und gebt mir was mir von Rechtswegen zukommt: ich wollte fort und mich gerne weiter in der Welt umsehen.“ Da antwortete der Geizhals „ja, mein lieber Knecht, du hast mir unverdrossen gedient, dafür sollst du mildiglich belohnet werden,“ griff abermals in die Tasche und zählte dem Knecht drei Heller einzeln auf, „da hast du für jedes Jahr einen Heller, das ist ein großer und reichlicher Lohn, wie du ihn bei wenigen Herrn empfangen hättest.“ Der gute Knecht, der vom Geld wenig verstand, strich sein Capital ein und dachte „nun hast du vollauf in der Tasche, was willst du sorgen und dich mit schwerer Arbeit länger plagen.“

Da zog er fort, bergauf, bergab, sang und sprang nach Herzenslust. Nun trug es sich zu, als er an ein Buschwerk vorüber kam, daß ein kleines Männchen hervortrat und ihn anrief „wo hinaus, Bruder Lustig? ich sehe du trägst nicht schwer an deinen Sorgen.“ „Was soll ich traurig sein,“ antwortete der Knecht, „ich habe vollauf, der Lohn von drei Jahren klingelt in meiner Tasche.“ „Wie viel ist denn deines Schatzes?“ fragte ihn das Männchen. „Wie viel? drei baare Heller, richtig gezählt.“ „Höre,“ sagte der Zwerg, „ich bin ein armer bedürftiger Mann, schenke mir deine drei Heller: ich kann nichts mehr arbeiten, du aber bist jung und kannst dir dein Brot leicht verdienen.“ Und weil der Knecht ein gutes Herz hatte und Mitleid mit dem Männchen fühlte, so reichte er ihm seine drei Heller und sprach „in Gottes Namen, es wird mir doch nicht fehlen.“ Da sprach das Männchen „weil ich dein gutes Herz sehe, so gewähre ich dir drei Wünsche, für jeden Heller einen, die sollen dir in Erfüllung gehen.“ „Aha,“ sprach der Knecht, „du bist einer, der blau pfeifen kann. Wohlan, wenns doch sein soll, so wünsche ich mir erstlich ein Vogelrohr, das alles trifft, wonach ich ziele: zweitens eine Fidel, wenn ich darauf streiche, so muß alles tanzen, was den Klang hört: und drittens, wenn ich an jemand eine Bitte thue, so darf er sie nicht abschlagen.“ „Das sollst du alles haben“ sprach das Männchen, griff in den Busch, und, denk einer, da lag schon Fidel und Vogelrohr in Bereitschaft, als wenn sie bestellt wären. Er gab sie dem Knecht und sprach „was du dir immer erbitten wirst, kein Mensch auf der Welt soll dirs abschlagen.“

„Herz, was begehrst du nun?“ sprach der Knecht zu sich selber und zog lustig weiter. Bald darauf begegnete er einem Juden mit einem langen Ziegenbart, der stand und horchte auf den Gesang eines Vogels, der hoch oben in der Spitze eines Baumes saß. „Gottes Wunder!“ rief er aus, „so ein kleines Thier hat so eine grausam mächtige Stimme! wenns doch mein wäre! wer ihm doch Salz auf den Schwanz streuen könnte!“ „Wenns weiter nichts ist,“ sprach der Knecht, „der Vogel soll bald herunter sein,“ legte an und traf aufs Haar, und der Vogel fiel herab in die Dornhecken. „Geh, Spitzbub,“ sagte er zum Juden, „und hol dir den Vogel heraus.“ „Mein,“ sprach der Jude, „laß der Herr den Bub weg, so kommt ein Hund gelaufen; ich will mir den Vogel auflesen, weil ihr ihn doch einmal getroffen habt,“ legte sich auf die Erde und fieng an sich in den Busch hinein zu arbeiten. Wie er nun mitten in dem Dorn steckte, plagte der Muthwille den guten Knecht, daß er seine Fidel abnahm und anfieng zu geigen. Gleich fieng auch der Jude an die Beine zu heben und in die Höhe zu springen: und je mehr der Knecht strich, desto besser gieng der Tanz. Aber die Dörner zerrissen ihm den schäbigen Rock, kämmten ihm den Ziegenbart und stachen und zwickten ihn am ganzen Leib. „Mein,“ rief der Jude, „was soll mir das Geigen! laß der Herr das Geigen, ich begehre nicht zu tanzen.“ Aber der Knecht hörte nicht darauf und dachte „du hast die Leute genug geschunden, nun soll dirs die Dornhecke nicht besser machen,“ und fieng von neuem an zu geigen, daß der Jude immer höher aufspringen mußte, und die Fetzen von seinem Rock an den Stacheln hängen blieben. „Au weih geschrien!“ rief der Jude, „geb ich doch dem Herrn, was er verlangt, wenn er nur das Geigen läßt, einen ganzen Beutel mit Gold.“ „Wenn du so spendabel bist,“ sprach der Knecht, „so will ich wohl mit meiner Musik aufhören, aber das muß ich dir nachrühmen, du machst deinen Tanz noch mit, daß es eine Art hat;“ nahm darauf den Beutel und gieng seiner Wege.

Der Jude blieb stehen und sah ihm nach und war still bis der Knecht weit weg und ihm ganz aus den Augen war, dann schrie er aus Leibeskräften, „du miserabler Musikant, du Bierfiedler: wart, wenn ich dich allein erwische! ich will dich jagen, daß du die Schuhsohlen verlieren sollst: du Lump, steck einen Groschen ins Maul, daß du sechs Heller werth bist,“ und schimpfte weiter was er nur los bringen konnte. Und als er sich damit etwas zu Gute gethan und Luft gemacht hatte, lief er in die Stadt zum Richter. „Herr Richter, au weih geschrien! seht wie mich auf offener Landstraße ein gottloser Mensch beraubt und übel zugerichtet hat: ein Stein auf dem Erdboden möcht sich erbarmen: die Kleider zerfetzt! der Leib zerstochen und zerkratzt! mein bischen Armuth sammt dem Beutel genommen! lauter Dukaten, ein Stück schöner als das andere: um Gotteswillen, laßt den Menschen ins Gefängnis werfen.“ Sprach der Richter „wars ein Soldat, der dich mit seinem Säbel so zugerichtet hat?“ „Gott bewahr!“ sagte der Jude, „einen nackten Degen hat er nicht gehabt, aber ein Rohr hat er gehabt auf dem Buckel hängen und eine Geige am Hals; der Bösewicht ist leicht zu erkennen.“ Der Richter schickte seine Leute nach ihm aus, die fanden den guten Knecht, der ganz langsam weiter gezogen war, und fanden auch den Beutel mit Gold bei ihm. Als er vor Gericht gestellt wurde, sagte er „ich habe den Juden nicht angerührt und ihm das Geld nicht genommen, er hat mirs aus freien Stücken angeboten, damit ich nur aufhörte zu geigen, weil er meine Musik nicht vertragen konnte.“ „Gott bewahr!“ schrie der Jude, „der greift die Lügen wie Fliegen an der Wand.“ Aber der Richter glaubte es auch nicht und sprach „das ist eine schlechte Entschuldigung, das thut kein Jude,“ und verurtheilte den guten Knecht, weil er auf offener Straße einen Raub begangen hätte, zum Galgen. Als er aber abgeführt ward, schrie ihm noch der Jude zu „du Bärenhäuter, du Hundemusikant, jetzt kriegst du deinen wohlverdienten Lohn.“ Der Knecht stieg ganz ruhig mit dem Henker die Leiter hinauf, auf der letzten Sproße aber drehte er sich um und sprach zum Richter „gewährt mir noch eine Bitte, eh ich sterbe.“ „Ja,“ sprach der Richter, „wenn du nicht um dein Leben bittest.“ „Nicht ums Leben,“ antwortete der Knecht, „ich bitte, laßt mich zu guter Letzt noch einmal auf meiner Geige spielen.“ Der Jude erhob ein Zetergeschrei, „um Gotteswillen, erlaubts nicht, erlaubts nicht.“ Allein der Richter sprach „warum soll ich ihm die kurze Freude nicht gönnen: es ist ihm zugestanden, und dabei soll es sein Bewenden haben.“ Auch konnte er es ihm nicht abschlagen wegen der Gabe, die dem Knecht verliehen war. Der Jude aber rief „au weih! au weih! bindet mich an, bindet mich fest.“ Da nahm der gute Knecht seine Geige vom Hals, legte sie zurecht, und wie er den ersten Strich that, fieng alles an zu wabern und zu wanken, der Richter, die Schreiber, und die Gerichtsdiener: und der Strick fiel dem aus der Hand, der den Juden fest binden wollte: beim zweiten Strich hoben alle die Beine, und der Henker ließ den guten Knecht los und machte sich zum Tanze fertig: bei dem dritten Strich sprang alles in die Höhe und fieng an zu tanzen, und der Richter und der Jude waren vorn und sprangen am besten. Bald tanzte alles mit, was auf den Markt aus Neugierde herbei gekommen war, alte und junge, dicke und magere Leute untereinander: sogar die Hunde, die mitgelaufen waren, setzten sich auf die Hinterfüße und hüpften mit. Und je länger er spielte, desto höher sprangen die Tänzer, daß sie sich einander an die Köpfe stießen und anfiengen jämmerlich zu schreien. Endlich rief der Richter ganz außer Athem, „ich schenke dir dein Leben, höre nur auf zu geigen.“ Der gute Knecht ließ sich bewegen, setzte die Geige ab, hing sie wieder um den Hals und stieg die Leiter herab. Da trat er zu dem Juden, der auf der Erde lag und nach Athem schnappte, und sagte „Spitzbube, jetzt gesteh wo du das Geld her hast, oder ich nehme meine Geige vom Hals und fange wieder an zu spielen.“ „Ich habs gestohlen, ich habs gestohlen,“ schrie er, „du aber hasts redlich verdient.“ Da ließ der Richter den Juden zum Galgen führen und als einen Dieb aufhängen.





Montag, 27. Februar 2012

Dat Mäken von Brakel

139. Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm


Et gien mal ’n Mäken von Brakel na de sünt Annen Capellen uner de Hinnenborg, un weil et gierne ’n Mann heven wulle un ock meinde et wäre süs neimes in de Capellen, sau sank et

„O hilge sünte Anne,
help mie doch bald tom Manne.
Du kennst ’n ja wull:
he wuhnt var’m Suttmerdore,
hed gele Hore:
du kennst ’n ja wull.“

De Köster stand awerst hünner de Altare un höre dat, da rep he mit ’ner gans schrögerigen Stimme „du kriggst ’n nig, du kriggst ’n nig.“ Dat Mäken awerst meinde dat Marienkinneken, dat bie de Mudder Anne steiht, hedde üm dat to ropen, da wor et beuse un reip „pepperlepep, dumme Blae, halt de Schnuten un lat de Möhme kühren (die Mutter reden).“





Der gelernte Jäger

111. Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm


Es war einmal ein junger Bursch, der hatte die Schlosserhandtierung gelernt und sprach zu seinem Vater er wollte jetzt in die Welt gehen und sich versuchen. „Ja,“ sagte der Vater, „das bin ich zufrieden“ und gab ihm etwas Geld auf die Reise. Also zog er herum und suchte Arbeit. Auf eine Zeit, da wollt ihm das Schlosserwerk nicht mehr folgen und stand ihm auch nicht mehr an, aber er kriegte Lust zur Jägerei. Da begegnete ihm auf der Wanderschaft ein Jäger in grünem Kleide, der fragte wo er her käme und wo er hin wollte. Er wär ein Schlossergesell, sagte der Bursch, aber das Handwerk gefiele ihm nicht mehr, und hätte Lust zur Jägerei, ob er ihn als Lehrling annehmen wollte. „O ja, wenn du mit mir gehen willst.“ Da gieng der junge Bursch mit, vermiethete sich etliche Jahre bei ihm und lernte die Jägerei. Danach wollte er sich weiter versuchen, und der Jäger gab ihm nichts zum Lohn als eine Windbüchse, die hatte aber die Eigenschaft, wenn er damit einen Schuß that, so traf er ohnfehlbar. Da gieng er fort und kam in einen sehr großen Wald, von dem konnte er in einem Tag das Ende nicht finden. Wies Abend war, setzte er sich auf einen hohen Baum, damit er aus den wilden Thieren käme. Gegen Mitternacht zu, däuchte ihn, schimmerte ein kleines Lichtchen von weitem, da sah er durch die Äste darauf hin und behielt in acht wo es war. Doch nahm er erst noch seinen Hut und warf ihn nach dem Licht zu herunter, daß er danach gehen wollte, wann er herabgestiegen wäre, als nach einem Zeichen. Nun kletterte er herunter, gieng auf seinen Hut los, setzte ihn wieder auf und zog gerades Wegs fort. Je weiter er gieng, je größer ward das Licht, und wie er nahe dabei kam, sah er daß es ein gewaltiges Feuer war, und saßen drei Riesen dabei und hatten einen Ochsen am Spieß und ließen ihn braten. Nun sprach der eine „ich muß doch schmecken ob das Fleisch bald zu essen ist,“ riß ein Stück herab und wollt es in den Mund stecken, aber der Jäger schoß es ihm aus der Hand. „Nun ja,“ sprach der Riese, „da weht mir der Wind das Stück aus der Hand“ und nahm sich ein anderes. Wie er eben anbeißen wollte, schoß es ihm der Jäger abermals weg; da gab der Riese dem, der neben ihm saß, eine Ohrfeige und rief zornig „was reißt du mir mein Stück weg?“ „Ich habe es nicht weggerissen,“ sprach der andere, „es wird dirs ein Scharfschütz weggeschossen haben.“ Der Riese nahm sich das dritte Stück, konnte es aber nicht in der Hand behalten, der Jäger schoß es ihm heraus. Da sprachen die Riesen „das muß ein guter Schütze sein, der den Bissen vor dem Maul wegschießt, so einer wäre uns nützlich,“ und riefen laut „komm herbei, du Scharfschütze, setze dich zu uns ans Feuer und iß dich satt, wir wollen dir nichts thun; aber kommst du nicht, und wir holen dich mit Gewalt, so bist du verloren.“ Da trat der Bursch herzu und sagte er wäre ein gelernter Jäger, und wonach er mit seiner Büchse ziele, das treffe er auch sicher und gewis. Da sprachen sie wenn er mit ihnen gehen wollte, sollte ers gut haben, und erzählten ihm vor dem Wald sei ein großes Wasser, dahinter ständ ein Thurm, und in dem Thurm säß eine schöne Königstochter, die wollten sie gern rauben. „Ja,“ sprach er, „die will ich bald geschafft haben.“ Sagten sie weiter „es ist aber noch etwas dabei, es liegt ein kleines Hündchen dort, das fängt gleich an zu bellen, wann sich jemand nähert, und sobald das bellt, wacht auch alles am königlichen Hofe auf: und deshalb können wir nicht hinein kommen; unterstehst du dich das Hündchen todt zu schießen?“ „Ja,“ sprach er, „das ist mir ein kleiner Spaß.“ Danach setzte er sich auf ein Schiff und fuhr über das Wasser, und wie er bald beim Land war, kam das Hündlein gelaufen und wollte bellen, aber er kriegte seine Windbüchse und schoß es todt. Wie die Riesen das sahen, freuten sie sich und meinten sie hätten die Königstochter schon gewiß, aber der Jäger wollte erst sehen wie die Sache beschaffen war, und sprach sie sollten haußen bleiben, bis er sie riefe. Da gieng er in das Schloß, und es war mäuschenstill darin, und schlief alles. Wie er das erste Zimmer aufmachte, hieng da ein Säbel an der Wand, der war von purem Silber, und war ein goldener Stern darauf und des Königs Name; daneben aber lag auf einem Tisch ein versiegelter Brief, den brach er auf, und es stand darin wer den Säbel hätte, könnte alles ums Leben bringen, was ihm vorkäme. Da nahm er den Säbel von der Wand, hieng ihn um und gieng weiter: da kam er in das Zimmer, wo die Königstochter lag und schlief: und sie war so schön, daß er still stand und sie betrachtete und den Athem anhielt. Er dachte bei sich selbst „wie darf ich eine unschuldige Jungfrau in die Gewalt der wilden Riesen bringen, die haben Böses im Sinn.“ Er schaute sich weiter um, da standen unter dem Bett ein paar Pantoffeln, auf dem rechten stand ihres Vaters Name mit einem Stern und auf dem linken ihr eigener Name mit einem Stern. Sie hatte auch ein großes Halstuch um, von Seide mit Gold ausgestickt, auf der rechten Seite ihres Vaters Name, auf der linken ihr Name, alles mit goldenen Buchstaben. Da nahm der Jäger eine Scheere und schnitt den rechten Schlippen ab und that ihn in seinen Ranzen, und dann nahm er auch den rechten Pantoffel mit des Königs Namen und steckte ihn hinein. Nun lag die Jungfrau noch immer und schlief, und sie war ganz in ihr Hemd eingenäht: da schnitt er auch ein Stückchen von dem Hemd ab und steckte es zu dem andern, doch that er das alles ohne sie anzurühren. Dann gieng er fort und ließ sie ungestört schlafen, und als er wieder ans Thor kam, standen die Riesen noch draußen, warteten auf ihn und dachten er würde die Königstochter bringen. Er rief ihnen aber zu sie sollten herein kommen, die Jungfrau wäre schon in seiner Gewalt: die Thüre könnte er ihnen aber nicht aufmachen, aber da wäre ein Loch, durch welches sie kriechen müßten. Nun kam der erste näher, da wickelte der Jäger des Riesen Haar um seine Hand, zog den Kopf herein und hieb ihn mit seinem Säbel in einem Streich ab, und duns (zog) ihn dann vollends hinein. Dann rief er den zweiten und hieb ihm gleichfalls das Haupt ab, und endlich auch dem dritten, und war froh daß er die schöne Jungfrau von ihren Feinden befreit hatte und schnitt ihnen die Zungen aus und steckte sie in seinen Ranzen. Da dachte er „ich will heim gehen zu meinem Vater und ihm zeigen was ich schon gethan habe, dann will ich in der Welt herum ziehen; das Glück, das mir Gott bescheeren will, wird mich schon erreichen.“

Der König in dem Schloß aber, als er aufwachte, erblickte er die drei Riesen, die da todt lagen. Dann gieng er in die Schlafkammer seiner Tochter, weckte sie auf und fragte wer das wohl gewesen wäre, der die Riesen ums Leben gebracht hätte. Da sagte sie „lieber Vater, ich weiß es nicht, ich habe geschlafen.“ Wie sie nun aufstand und ihre Pantoffeln anziehen wollte, da war der rechte weg, und wie sie ihr Halstuch betrachtete, war es durchschnitten und fehlte der rechte Schlippen, und wie sie ihr Hemd ansah, war ein Stückchen heraus. Der König ließ den ganzen Hof zusammen kommen, Soldaten und alles, was da war, und fragte wer seine Tochter befreit und die Riesen ums Leben gebracht hätte? Nun hatte er einen Hauptmann, der war einäugig und ein häßlicher Mensch, der sagte er hätte es gethan. Da sprach der alte König so er das vollbracht hätte, sollte er seine Tochter auch heirathen. Die Jungfrau aber sagte „lieber Vater, dafür, daß ich den heirathen soll, will ich lieber in die Welt gehen, so weit als mich meine Beine tragen.“ Da sprach der König wenn sie den nicht heirathen wollte, sollte sie die königlichen Kleider ausziehen und Bauernkleider anthun und fortgehen; und sie sollte zu einem Töpfer gehen und einen Handel mit irdenem Geschirr anfangen. Da that sie ihre königlichen Kleider aus und gieng zu einem Töpfer und borgte sich einen Kram irden Werk; sie versprach ihm auch, wenn sies am Abend verkauft hätte, wollte sie es bezahlen. Nun sagte der König sie sollte sich an eine Ecke damit setzen und es verkaufen, dann bestellte er etliche Bauerwagen, die sollten mitten durchfahren, daß alles in tausend Stücke gienge. Wie nun die Königstochter ihren Kram auf die Straße hingestellt hatte, kamen die Wagen und zerbrachen ihn zu lauter Scherben. Sie fieng an zu weinen und sprach „ach Gott wie will ich nun dem Töpfer bezahlen.“ Der König aber hatte sie damit zwingen wollen den Hauptmann zu heirathen, statt dessen gieng sie wieder zum Töpfer und fragte ihn ob er ihr noch einmal borgen wollte. Er antwortete nein, sie sollte erst das Vorige bezahlen. Da gieng sie zu ihrem Vater, schrie und jammerte, und sagte sie wollte in die Welt hineingehen. Da sprach er „ich will dir draußen in dem Wald ein Häuschen bauen lassen, darin sollst du dein Lebtag sitzen und für jedermann kochen, du darfst aber kein Geld nehmen.“ Als das Häuschen fertig war, ward vor die Thüre ein Schild gehängt, darauf stand geschrieben „heute umsonst, morgen für Geld.“ Da saß sie lange Zeit, und sprach es sich in der Welt herum, da säße eine Jungfrau, die kochte umsonst, und das stände vor der Thüre an einem Schild. Das hörte auch der Jäger und dachte „das wär etwas für dich, du bist doch arm und hast kein Geld.“ Er nahm also seine Windbüchse und seinen Ranzen, worin noch alles steckte, was er damals im Schloß als Wahrzeichen mitgenommen hatte, gieng in den Wald und fand auch das Häuschen mit dem Schild „heute umsonst, morgen für Geld.“ Er hatte aber den Degen umhängen, womit er den drei Riesen den Kopf abgehauen hatte, trat so in das Häuschen hinein und ließ sich etwas zu essen geben. Er freute sich über das schöne Mädchen, es war aber auch bildschön. Sie fragte wo er her käme und hin wollte, da sagte er „ich reise in der Welt herum.“ Da fragte sie ihn wo er den Degen her hätte, da stände ja ihres Vaters Name darauf. Fragte er ob sie des Königs Tochter wäre. „Ja,“ antwortete sie. „Mit diesem Säbel,“ sprach er, „habe ich drei Riesen den Kopf abgehauen“ und holte zum Zeichen ihre Zungen aus dem Ranzen, dann zeigte er ihr auch den Pantoffel, den Schlippen vom Halstuch und das Stück vom Hemd. Da war sie voll Freude und sagte er wäre derjenige der sie erlöst hätte. Darauf giengen sie zusammen zum alten König und holten ihn herbei, und sie führte ihn in ihre Kammer und sagte ihm der Jäger wäre der rechte, der sie von den Riesen erlöst hätte. Und wie der alte König die Wahrzeichen alle sah, da konnte er nicht mehr zweifeln und sagte es wäre ihm lieb daß er wüßte wie alles zugegangen wäre, und er sollte sie nun auch zur Gemahlin haben; darüber freute sich die Jungfrau von Herzen. Darauf kleideten sie ihn, als wenn er ein fremder Herr wäre, und der König ließ ein Gastmahl anstellen. Als sie nun zu Tisch giengen, kam der Hauptmann auf die linke Seite der Königstochter zu sitzen, der Jäger aber auf die rechte: und der Hauptmann meinte das wäre ein fremder Herr und wäre zum Besuch gekommen. Wie sie gegessen und getrunken hatten, sprach der alte König zum Hauptmann er wollte ihm etwas aufgeben, das sollte er errathen: wenn einer spräche er hätte drei Riesen ums Leben gebracht, und er gefragt würde, wo die Zungen der Riesen wären, und er müßte zusehen, und wären keine in ihren Köpfen, wie das zugienge? Da sagte der Hauptmann „sie werden keine gehabt haben.“ „Nicht so,“ sagte der König, „jedes Gethier hat eine Zunge,“ und fragte weiter was der werth wäre, daß ihm widerführe? Antwortete der Hauptmann „der gehört in Stücken zerrissen zu werden.“ Da sagte der König er hätte sich selber sein Urtheil gesprochen, und ward der Hauptmann gefänglich gesetzt und dann in vier Stücke zerrissen, die Königstochter aber mit dem Jäger vermählt. Danach holte er seinen Vater und seine Mutter herbei, und die lebten in Freude bei ihrem Sohn, und nach des alten Königs Tod bekam er das Reich.






Samstag, 18. Februar 2012

Taschengeld - Tipps für Finanzjongleure











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Die Gänsemagd

89. Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm


Es lebte einmal eine alte Königin, der war ihr Gemahl schon lange Jahre gestorben, und sie hatte eine schöne Tochter. Wie die erwuchs, wurde sie weit über Feld an einen Königssohn versprochen. Als nun die Zeit kam, wo sie vermählt werden sollten und das Kind in das fremde Reich abreisen mußte, packte ihr die Alte gar viel köstliches Geräth und Geschmeide ein, Gold und Silber, Becher und Kleinode, kurz alles, was nur zu einem königlichen Brautschatz gehörte, denn sie hatte ihr Kind von Herzen lieb. Auch gab sie ihr eine Kammerjungfer bei, welche mitreiten und die Braut in die Hände des Bräutigams überliefern sollte, und jede bekam ein Pferd zur Reise, aber das Pferd der Königstochter hieß Falada und konnte sprechen. Wie nun die Abschiedsstunde da war, begab sich die alte Mutter in ihre Schlafkammer, nahm ein Messerlein und schnitt damit in ihre Finger, daß sie bluteten: darauf hielt sie ein weißes Läppchen unter und ließ drei Tropfen Blut hineinfallen, gab sie der Tochter und sprach „liebes Kind, verwahre sie wohl, sie werden dir unterweges Noth thun.“

Also nahmen beide von einander betrübten Abschied: das Läppchen steckte die Königstochter in ihren Busen vor sich, setzte sich aufs Pferd und zog nun fort zu ihrem Bräutigam. Da sie eine Stunde geritten waren, empfand sie heißen Durst und sprach zu ihrer Kammerjungfer „steig ab, und schöpfe mir mit meinem Becher, den du für mich mitgenommen hast, Wasser aus dem Bache, ich möchte gern einmal trinken.“ „Wenn ihr Durst habt,“ sprach die Kammerjungfer, „so steigt selber ab, legt euch ans Wasser und trinkt, ich mag eure Magd nicht sein.“ Da stieg die Königstochter vor großem Durst herunter, neigte sich über das Wasser im Bach und trank, und durfte nicht aus dem goldnen Becher trinken. Da sprach sie „ach Gott!“ da antworteten die drei Blutstropfen „wenn das deine Mutter wüßte, das Herz im Leibe thät ihr zerspringen.“ Aber die Königsbraut war demüthig, sagte nichts und stieg wieder zu Pferd. So ritten sie etliche Meilen weiter fort, aber der Tag war warm, die Sonne stach, und sie durstete bald von neuem. Da sie nun an einen Wasserfluß kamen, rief sie noch einmal ihrer Kammerjungfer „steig ab und gib mir aus meinem Goldbecher zu trinken,“ denn sie hatte aller bösen Worte längst vergessen. Die Kammerjungfer sprach aber noch hochmüthiger, „wollt ihr trinken, so trinkt allein, ich mag nicht eure Magd sein.“ Da stieg die Königstochter hernieder vor großem Durst, legte sich über das fließende Wasser, weinte und sprach „ach Gott!“ und die Blutstropfen antworteten wiederum „wenn das deine Mutter wüßte, das Herz im Leibe thät ihr zerspringen.“ Und wie sie so trank und sich recht überlehnte, fiel ihr das Läppchen, worin die drei Tropfen waren, aus dem Busen und floß mit dem Wasser fort ohne daß sie es in ihrer großen Angst merkte. Die Kammerjungfer hatte aber zugesehen und freute sich daß sie Gewalt über die Braut bekäme: denn damit, daß diese die Blutstropfen verloren hatte, war sie schwach und machtlos geworden. Als sie nun wieder auf ihr Pferd steigen wollte, das da hieß Falada, sagte die Kammerfrau „auf Falada gehör ich, und auf meinen Gaul gehörst du;“ und das mußte sie sich gefallen lassen. Dann befahl ihr die Kammerfrau mit harten Worten die königlichen Kleider auszuziehen und ihre schlechten anzulegen, und endlich mußte sie sich unter freiem Himmel verschwören daß sie am königlichen Hof keinem Menschen etwas davon sprechen wollte; und wenn sie diesen Eid nicht abgelegt hätte, wäre sie auf der Stelle umgebracht worden. Aber Falada sah das alles an und nahms wohl in Acht.

Die Kammerfrau stieg nun auf Falada und die wahre Braut auf das schlechte Roß, und so zogen sie weiter, bis sie endlich in dem königlichen Schloß eintrafen. Da war große Freude über ihre Ankunft, und der Königssohn sprang ihnen entgegen, hob die Kammerfrau vom Pferde und meinte sie wäre seine Gemahlin: sie ward die Treppe hinaufgeführt, die wahre Königstochter aber mußte unten stehen bleiben. Da schaute der alte König am Fenster, und sah sie im Hof halten und sah wie sie fein war, zart und gar schön: gieng alsbald hin ins königliche Gemach und fragte die Braut nach der, die sie bei sich hätte und da unten im Hofe stände, und wer sie wäre? „Die hab ich mir unterwegs mitgenommen zur Gesellschaft; gebt der Magd was zu arbeiten, daß sie nicht müßig steht.“ Aber der alte König hatte keine Arbeit für sie und wußte nichts, als daß er sagte „da hab ich so einen kleinen Jungen, der hütet die Gänse, dem mag sie helfen.“ Der Junge hieß Kürdchen (Conrädchen), dem mußte die wahre Braut helfen Gänse hüten.

Bald aber sprach die falsche Braut zu dem jungen König „liebster Gemahl, ich bitte euch thut mir einen Gefallen.“ Er antwortete „das will ich gerne thun.“ „Nun so laßt den Schinder rufen und da dem Pferde, worauf ich hergeritten bin, den Hals abhauen, weil es mich unterweges geärgert hat.“ Eigentlich aber fürchtete sie daß das Pferd sprechen möchte wie sie mit der Königstochter umgegangen war. Nun war das so weit gerathen, daß es geschehen und der treue Falada sterben sollte, da kam es auch der rechten Königstochter zu Ohr, und sie versprach dem Schinder heimlich ein Stück Geld, das sie ihm bezahlen wollte, wenn er ihr einen kleinen Dienst erwiese. In der Stadt war ein großes finsteres Thor, wo sie Abends und Morgens mit den Gänsen durch mußte, „unter das finstere Thor möchte er dem Falada seinen Kopf hinnageln, daß sie ihn doch noch mehr als einmal sehen könnte.“ Also versprach das der Schindersknecht zu thun, hieb den Kopf ab und nagelte ihn unter das finstere Thor fest.

Des Morgens früh, da sie und Kürdchen unterm Thor hinaus trieben, sprach sie im Vorbeigehen

„o du Falada, da du hangest,“
da antwortete der Kopf

„o du Jungfer Königin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
ihr Herz thät ihr zerspringen.“

Da zog sie still weiter zur Stadt hinaus, und sie trieben die Gänse aufs Feld. Und wenn sie auf der Wiese angekommen war, saß sie nieder und machte ihre Haare auf, die waren eitel Gold, und Kürdchen sah sie und freute sich wie sie glänzten, und wollte ihr ein paar ausraufen. Da sprach sie

„weh, weh, Windchen,
nimm Kürdchen sein Hütchen,
und laß’n sich mit jagen,
bis ich mich geflochten und geschnatzt,
und wieder aufgesatzt.“

Und da kam ein so starker Wind, daß er dem Kürdchen sein Hütchen weg wehte über alle Land, und es mußte ihm nachlaufen. Bis es wieder kam war sie mit dem Kämmen und Aufsetzen fertig, und er konnte keine Haare kriegen. Da war Kürdchen bös und sprach nicht mit ihr; und so hüteten sie die Gänse bis daß es Abend ward, dann giengen sie nach Haus.

Den andern Morgen, wie sie unter dem finstern Thor hinaus trieben, sprach die Jungfrau

„o du Falada, da du hangest,“
Falada antwortete

„o du Jungfer Königin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
das Herz thät ihr zerspringen.“

Und in dem Feld setzte sie sich wieder auf die Wiese und fieng an ihr Haar auszukämmen, und Kürdchen lief und wollte danach greifen, da sprach sie schnell

„weh, weh, Windchen,
nimm Kürdchen sein Hütchen,
und laß’n sich mit jagen,
bis ich mich geflochten und geschnatzt,
und wieder aufgesatzt.“

Da wehte der Wind und wehte ihm das Hütchen vom Kopf weit weg, daß Kürdchen nachlaufen mußte; und als es wieder kam, hatte sie längst ihr Haar zurecht, und es konnte keins davon erwischen; und so hüteten sie die Gänse bis es Abend ward.

Abends aber, nachdem sie heim gekommen waren, gieng Kürdchen vor den alten König und sagte „mit dem Mädchen will ich nicht länger Gänse hüten.“ „Warum denn?“ fragte der alte König. „Ei, das ärgert mich den ganzen Tag.“ Da befahl ihm der alte König zu erzählen wies ihm denn mit ihr gienge. Da sagte Kürdchen „Morgens, wenn wir unter dem finstern Thor mit der Heerde durchkommen, so ist da ein Gaulskopf an der Wand, zu dem redet sie

„Falada, da du hangest,“
da antwortet der Kopf

„o du Königsjungfer, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
das Herz thät ihr zerspringen.“

Und so erzählte Kürdchen weiter was auf der Gänsewiese geschähe, und wie es da dem Hut im Winde nachlaufen müßte.

Der alte König befahl ihm den nächsten Tag wieder hinaus zu treiben, und er selbst, wie es Morgen war, setzte sich hinter das finstere Thor und hörte da wie sie mit dem Haupt des Falada sprach: und dann gieng er ihr auch nach in das Feld und barg sich in einem Busch auf der Wiese. Da sah er nun bald mit seinen eigenen Augen wie die Gänsemagd und der Gänsejunge die Heerde getrieben brachte, und wie nach einer Weile sie sich setzte und ihre Haare losflocht, die strahlten von Glanz. Gleich sprach sie wieder

„weh, weh, Windchen,
faß Kürdchen sein Hütchen,
und laß’n sich mit jagen,
bis daß ich mich geflochten und geschnatzt,
und wieder aufgesatzt.“

Da kam ein Windstoß und fuhr mit Kürdchens Hut weg, daß es weit zu laufen hatte, und die Magd kämmte und flocht ihre Locken still fort, welches der alte König alles beobachtete. Darauf gieng er unbemerkt zurück, und als Abends die Gänsemagd heim kam, rief er sie bei Seite, und fragte warum sie dem allem so thäte? „Das darf ich euch nicht sagen, und darf auch keinem Menschen mein Leid klagen, denn so hab ich mich unter freiem Himmel verschworen, weil ich sonst um mein Leben gekommen wäre.“ Er drang in sie und ließ ihr keinen Frieden, aber er konnte nichts aus ihr herausbringen. Da sprach er „wenn du mir nichts sagen willst, so klag dem Eisenofen da dein Leid,“ und gieng fort. Da kroch sie in den Eisenofen, fieng an zu jammern und zu weinen, schüttete ihr Herz aus und sprach „da sitze ich nun von aller Welt verlassen, und bin doch eine Königstochter, und eine falsche Kammerjungfer hat mich mit Gewalt dahin gebracht daß ich meine königlichen Kleider habe ablegen müssen, und hat meinen Platz bei meinem Bräutigam eingenommen, und ich muß als Gänsemagd gemeine Dienste thun. Wenn das meine Mutter wüßte, das Herz im Leib thät ihr zerspringen.“ Der alte König stand aber außen an der Ofenröhre, lauerte ihr zu und hörte was sie sprach. Da kam er wieder herein und hieß sie aus dem Ofen gehen. Da wurden ihr königliche Kleider angethan, und es schien ein Wunder wie sie so schön war. Der alte König rief seinen Sohn und offenbarte ihm daß er die falsche Braut hätte: die wäre bloß ein Kammermädchen, die wahre aber stände hier, als die gewesene Gänsemagd. Der junge König war herzensfroh, als er ihre Schönheit und Tugend erblickte, und ein großes Mahl wurde angestellt, zu dem alle Leute und guten Freunde gebeten wurden. Obenan saß der Bräutigam, die Königstochter zur einen Seite und die Kammerjungfer zur andern, aber die Kammerjungfer war verblendet und erkannte jene nicht mehr in dem glänzenden Schmuck. Als sie nun gegessen und getrunken hatten, und gutes Muths waren, gab der alte König der Kammerfrau ein Räthsel auf, was eine solche werth wäre, die den Herrn so und so betrogen hätte, erzählte damit den ganzen Verlauf und fragte „welches Urtheils ist diese würdig?“ Da sprach die falsche Braut „die ist nichts besseres werth, als daß sie splitternackt ausgezogen und in ein Faß gesteckt wird, das inwendig mit spitzen Nägeln beschlagen ist: und zwei weiße Pferde müssen vorgespannt werden, die sie Gasse auf Gasse ab zu Tode schleifen.“ „Das bist du,“ sprach der alte König, „und hast dein eigen Urtheil gefunden, und danach soll dir wiederfahren.“ Und als das Urtheil vollzogen war, vermählte sich der junge König mit seiner rechten Gemahlin, und beide beherrschten ihr Reich in Frieden und Seligkeit.


Mittwoch, 15. Februar 2012

Knoist un sine dre Sühne

138. Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm


Twisken Werrel un Soist, do wuhnde ’n Mann, un de hede Knoist, de hadde dre Sühne, de eene was blind, de annre was lahm un de dridde was splenternaket. Do giengen se mol öwer Feld, do sehen se eenen Hasen. De blinne de schöt en, de lahme de fienk en, de nackede de stack en in de Tasken. Do käimen se für en groot allmächtig Waater, do wuren dre Schippe uppe, dat eene dat rann, dat annre dat sank, dat dridde, do was keen Buoden inne. Wo keen Buoden inne was, do giengen se olle dre inne. Do käimen se an eenen allmächtig grooten Walle (Wald), do was en groot allmächtig Boom inne, in den Boom was eene allmächtig groote Capelle, in de Capelle was een hageböcken Köster un en bußboomen Pastoer, de deelden dat Wiggewaater mit Knuppeln uit.

Sielig is de Mann,
de den Wiggewaater entlaupen kann.








Dienstag, 14. Februar 2012

Der Hahnenbalken

149. Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm


Es war einmal ein Zauberer, der stand mitten in einer großen Menge Volks und vollbrachte seine Wunderdinge. Da ließ er auch einen Hahn einherschreiten, der hob einen schweren Balken und trug ihn als wäre er federleicht. Nun war aber ein Mädchen, das hatte eben ein vierblättriges Kleeblatt gefunden und war dadurch klug geworden, so daß kein Blendwerk vor ihm bestehen konnte, und sah daß der Balken nichts war als ein Strohhalm. Da rief es „ihr Leute, seht ihr nicht, das ist ein bloßer Strohhalm und kein Balken, was der Hahn da trägt.“ Alsbald verschwand der Zauber, und die Leute sahen was es war und jagten den Hexenmeister mit Schimpf und Schande fort. Er aber, voll innerlichen Zornes, sprach „ich will mich schon rächen.“ Nach einiger Zeit hielt das Mädchen Hochzeit, war geputzt und gieng in einem großen Zug über das Feld nach dem Ort, wo die Kirche stand. Auf einmal kamen sie an einen stark angeschwollenen Bach, und war keine Brücke und kein Steg, darüber zu gehen. Da war die Braut flink, hob ihre Kleider auf und wollte durchwaten. Wie sie nun eben im Wasser so steht, ruft ein Mann, und das war der Zauberer, neben ihr ganz spöttisch „ei! wo hast du deine Augen, daß du das für ein Wasser hältst?“ Da giengen ihr die Augen auf, und sie sah daß sie mit ihren aufgehobenen Kleidern mitten in einem blaublühenden Flachsfeld stand. Da sahen es die Leute auch allesammt und jagten sie mit Schimpf und Gelächter fort.





Sonntag, 12. Februar 2012

Der gute Handel

7. Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm


Ein Bauer, der hatte seine Kuh auf den Markt getrieben und für sieben Thaler verkauft. Auf dem Heimweg mußte er an einem Teich vorbei, und da hörte er schon von weitem wie die Frösche riefen „ak, ak, ak, ak.“ „Ja,“ sprach er für sich, „die schreien auch ins Haberfeld hinein: sieben sinds, die ich gelöst habe, keine acht.“ Als er zu dem Wasser heran kam, rief er ihnen zu „dummes Vieh, das ihr seid! wißt ihrs nicht besser? sieben Thaler sinds und keine acht.“ Die Frösche blieben aber bei ihrem „ak, ak, ak, ak.“ „Nun, wenn ihrs nicht glauben wollt, ich kanns euch vorzählen,“ holte das Geld aus der Tasche und zählte die sieben Thaler ab, immer vierundzwanzig Groschen auf einen. Die Frösche kehrten sich aber nicht an seine Rechnung und riefen abermals „ak, ak, ak, ak.“ „Ei,“ rief der Bauer ganz bös, „wollt ihrs besser wissen als ich, so zählt selber,“ und warf ihnen das Geld miteinander ins Wasser hinein. Er blieb stehen und wollte warten bis sie fertig wären und ihm das Seinige wieder brächten, aber die Frösche beharrten auf ihrem Sinn, schrien immerfort „ak, ak, ak, ak“, und warfen auch das Geld nicht wieder heraus. Er wartete noch eine gute Weile, bis der Abend anbrach, und er nach Haus mußte, da schimpfte er die Frösche aus und rief „ihr Wasserpatscher, ihr Dickköpfe, ihr Klotzaugen, ein groß Maul habt ihr und könnt schreien daß einem die Ohren weh thun, aber sieben Thaler könnt ihr nicht zählen: meint ihr, ich wollte da stehen bis ihr fertig wärt?“ Damit gieng er fort, aber die Frösche riefen noch „ak, ak, ak, ak“ hinter ihm her, daß er ganz verdrießlich heim kam. Über eine Zeit erhandelte er sich wieder eine Kuh, die schlachtete er, und machte die Rechnung, wenn er das Fleisch gut verkaufte, könnte er so viel lösen, als die beiden Kühe werth wären, und das Fell hätte er obendrein. Als er nun mit dem Fleisch zu der Stadt kam, war vor dem Thore ein ganzes Rudel Hunde zusammengelaufen, voran ein großer Windhund: der sprang um das Fleisch, schnupperte und bellte „was, was, was, was.“ Als er gar nicht aufhören wollte, sprach der Bauer zu ihm „ja, ich merke wohl, du sagst „was, was,“ weil du etwas von dem Fleisch verlangst, da sollt ich aber schön ankommen, wenn ich dirs geben wollte.“ Der Hund antwortete nichts als „was, was.“ „Willst dus auch nicht wegfressen und für deine Kameraden da gut stehen?“ „Was, was“ sprach der Hund. „Nun, wenn du dabei beharrst, so will ich dirs lassen, ich kenne dich wohl und weiß bei wem du dienst: aber das sage ich dir, in drei Tagen muß ich mein Geld haben, sonst geht dirs schlimm: du kannst mirs nur hinausbringen.“ Darauf lud er das Fleisch ab und kehrte wieder um: die Hunde machten sich darüber her und bellten laut „was, was.“ Der Bauer, der es von weitem hörte, sprach zu sich „horch, jetzt verlangen sie alle was, aber der große muß mir einstehen.“

Als drei Tage herum waren, dachte der Bauer „heute Abend hast du dein Geld in der Tasche“ und war ganz vergnügt. Aber es wollte niemand kommen und auszahlen. „Es ist kein Verlaß mehr auf jemand,“ sprach er, und endlich riß ihm die Geduld, daß er in die Stadt zu dem Fleischer gieng und sein Geld forderte. Der Fleischer meinte, es wäre ein Spaß, aber der Bauer sagte „Spaß beiseite, ich will mein Geld: hat der große Hund euch nicht die ganze geschlachtete Kuh vor drei Tagen heim gebracht?“ Da ward der Fleischer zornig, griff nach einem Besenstiel und jagte ihn hinaus. „Wart,“ sprach der Bauer, „es gibt noch Gerechtigkeit auf der Welt!“ und gieng in das königliche Schloß und bat sich Gehör aus. Er ward vor den König geführt, der da saß mit seiner Tochter und fragte was ihm für ein Leid wiederfahren wäre? „Ach,“ sagte er, „die Frösche und die Hunde haben mir das Meinige genommen, und der Metzger hat mich dafür mit dem Stock bezahlt,“ und erzählte weitläufig wie es zugegangen war. Darüber fieng die Königstochter laut an zu lachen, und der König sprach zu ihm „Recht kann ich dir hier nicht geben, aber dafür sollst du meine Tochter zur Frau haben: ihr Lebtag hat sie noch nicht gelacht, als eben über dich, und ich habe sie dem versprochen, der sie zum Lachen brächte. Du kannst Gott für dein Glück danken.“ „O,“ antwortete der Bauer, „ich will sie gar nicht: ich habe daheim nur eine einzige Frau, und die ist mir schon zuviel: wenn ich nach Haus komme, so ist mir nicht anders als ob in jedem Winkel eine stände.“ Da ward der König zornig und sagte „du bist ein Grobian.“ „Ach, Herr König,“ antwortete der Bauer, „was könnt Ihr von einem Ochsen anders erwarten, als Rindfleisch!“ „Warte,“ erwiederte der König, „du sollst einen andern Lohn haben. Jetzt pack dich fort, aber in drei Tagen komm wieder, so sollen dir fünfhundert vollgezählt werden.“

Wie der Bauer hinaus vor die Thür kam, sprach die Schildwache „du hast die Königstochter zum Lachen gebracht, da wirst du was rechtes bekommen haben.“ „Ja, das mein ich,“ antwortete der Bauer, „fünfhundert werden mir ausgezahlt.“ „Hör,“ sprach der Soldat, „gib mir etwas davon: was willst du mit all dem Geld anfangen!“ „Weil dus bist,“ sprach der Bauer, „so sollst du zweihundert haben, melde dich in drei Tagen beim König, und laß dirs aufzählen.“ Ein Jude, der in der Nähe gestanden und das Gespräch mit angehört hatte, lief dem Bauer nach, hielt ihn beim Rock und sprach „Gotteswunder, was seid ihr ein Glückskind! ich wills euch wechseln, ich wills euch umsetzen in Scheidemünz, was wollt ihr mit den harten Thalern?“ „Mauschel,“ sagte der Bauer, „dreihundert kannst du noch haben, gib mirs gleich in Münze, heut über drei Tage wirst du dafür beim König bezahlt werden.“ Der Jude freute sich über das Profitchen und brachte die Summe in schlechten Groschen, wo drei so viel werth sind als zwei gute. Nach Verlauf der drei Tage gieng der Bauer, dem Befehl des Königs gemäß, vor den König. „Zieht ihm den Rock aus,“ sprach dieser, „er soll seine fünfhundert haben.“ „Ach,“ sagte der Bauer, „sie gehören nicht mehr mein, zweihundert habe ich an die Schildwache verschenkt, und dreihundert hat mir der Jude eingewechselt, von Rechtswegen gebührt mir gar nichts.“ Indem kam der Soldat und der Jude herein, verlangten das Ihrige, das sie dem Bauer abgewonnen hätten, und erhielten die Schläge richtig zugemessen. Der Soldat ertrugs geduldig und wußte schon wies schmeckte: der Jude aber that jämmerlich, „au weih geschrien! sind das die harten Thaler?“ Der König mußte über den Bauer lachen, und da aller Zorn verschwunden war, sprach er, „weil du deinen Lohn schon verloren hast, bevor er dir zu Theil ward, so will ich dir einen Ersatz geben: geh in meine Schatzkammer und hol dir Geld, so viel du willst.“ Der Bauer ließ sich das nicht zweimal sagen, und füllte in seine weiten Taschen was nur hinein wollte. Danach gieng er ins Wirthshaus und überzählte sein Geld. Der Jude war ihm nachgeschlichen und hörte wie er mit sich allein brummte „nun hat mich der Spitzbube von König doch hinters Licht geführt! hätte er mir nicht selbst das Geld geben können, so wüßte ich was ich hätte, wie kann ich nun wissen ob das richtig ist was ich so auf gut Glück eingesteckt habe!“ „Gott bewahre,“ sprach der Jude für sich, „der spricht despectirlich von unserm Herrn, ich lauf und gebs an, da krieg ich eine Belohnung, und er wird obendrein noch bestraft.“ Als der König von den Reden des Bauern hörte, gerieth er in Zorn und hieß den Juden hingehen und den Sünder herbeiholen. Der Jude lief zum Bauer, „ihr sollt gleich zum Herrn König kommen, wie ihr geht und steht.“ „Ich weiß besser, was sich schickt,“ antwortete der Bauer, „erst laß ich mir einen neuen Rock machen; meinst du ein Mann, der so viel Geld in der Tasche hat, sollte in dem alten Lumpenrock hingehen?“ Der Jude, als er sah daß der Bauer ohne einen andern Rock nicht wegzubringen war, und weil er fürchtete wenn der Zorn des Königs verraucht wäre, so käme er um seine Belohnung und der Bauer um seine Strafe, so sprach er „ich will euch für die kurze Zeit einen schönen Rock leihen aus bloßer Freundschaft; was thut der Mensch nicht alles aus Liebe!“ Der Bauer ließ sich das gefallen, zog den Rock vom Juden an und gieng mit ihm fort. Der König hielt dem Bauer die bösen Reden vor, die der Jude hinterbracht hatte. „Ach,“ sprach der Bauer, „was ein Jude sagt ist immer gelogen, dem geht kein wahres Wort aus dem Munde; der Kerl da ist im Stand und behauptet ich hätte seinen Rock an.“ „Was soll mir das?“ schrie der Jude, „ist der Rock nicht mein? hab ich ihn euch nicht aus bloßer Freundschaft geborgt, damit ihr vor den Herrn König treten konntet?“ Wie der König das hörte, sprach er „einen hat der Jude gewiß betrogen, mich oder den Bauer,“ und ließ ihm noch etwas in harten Thalern nachzahlen. Der Bauer aber gieng in dem guten Rock und mit dem guten Geld in der Tasche heim und sprach „diesmal hab ichs getroffen.“

Mittwoch, 8. Februar 2012

Die alte Bettelfrau

150. Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm


Es war einmal eine alte Frau, du hast wohl ehe eine alte Frau sehn betteln gehn? diese Frau bettelte auch, und wann sie etwas bekam, dann sagte sie „Gott lohn euch.“ Die Bettelfrau kam an die Thür, da stand ein freundlicher Schelm von Jungen am Feuer und wärmte sich. Der Junge sagte freundlich zu der armen alten Frau, wie sie so an der Thür stand und zitterte, „kommt, Altmutter, und erwärmt euch.“ Sie kam herzu, gieng aber zu nahe ans Feuer stehn, daß ihre alten Lumpen anfiengen zu brennen, und sie wards nicht gewahr. Der Junge stand und sah das, er hätts doch löschen sollen? Nicht wahr, er hätte löschen sollen? Und wenn er kein Wasser gehabt hätte, dann hätte er alles Wasser in seinem Leibe zu den Augen herausweinen sollen, das hätte so zwei hübsche Bächlein gegeben zu löschen.







Dienstag, 7. Februar 2012

Das Hirtenbüblein

152. Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm


Es war einmal ein Hirtenbübchen, das war wegen seiner weisen Antworten, die es auf alle Fragen gab, weit und breit berühmt. Der König des Landes hörte auch davon, glaubte es nicht und ließ das Bübchen kommen. Da sprach er zu ihm „kannst du mir auf drei Fragen, die ich dir vorlegen will, Antwort geben, so will ich dich ansehen wie mein eigen Kind, und du sollst bei mir in meinem königlichen Schloß wohnen.“ Sprach das Büblein „wie lauten die drei Fragen?“ Der König sagte „die erste lautet wie viel Tropfen Wasser sind in dem Weltmeer?“ Das Hirtenbüblein antwortete „Herr König, laßt alle Flüsse auf der Erde verstopfen, damit kein Tröpflein mehr daraus ins Meer lauft, das ich nicht erst gezählt habe, so will ich euch sagen, wie viel Tropfen im Meere sind.“ Sprach der König „die andere Frage lautet wie viel Sterne stehen am Himmel?“ Das Hirtenbübchen sagte „gebt mir einen großen Bogen weiß Papier,“ und dann machte es mit der Feder so viel feine Punkte darauf, daß sie kaum zu sehen und fast gar nicht zu zählen waren und einem die Augen vergiengen, wenn man darauf blickte. Darauf sprach es „so viel Sterne stehen am Himmel, als hier Punkte auf dem Papier zählt sie nur.“ Aber niemand war dazu im Stand. Sprach der König „die dritte Frage lautet wie viel Secunden hat die Ewigkeit?“ Da sagte das Hirtenbüblein „in Hinterpommern liegt der Demantberg, der hat eine Stunde in die Höhe, eine Stunde in die Breite und eine Stunde in die Tiefe; dahin kommt alle hundert Jahr ein Vögelein und wetzt sein Schnäblein daran, und wenn der ganze Berg abgewetzt ist, dann ist die erste Secunde von der Ewigkeit vorbei.“

Sprach der König „du hast die drei Fragen aufgelöst wie ein Weiser und sollst fortan bei mir in meinem königlichen Schlosse wohnen, und ich will dich ansehen wie mein eigenes Kind.“




Märchen von der Unke

105. Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm


I.

Es war einmal ein kleines Kind, dem gab seine Mutter jeden Nachmittag ein Schüsselchen mit Milch und Weckbrocken, und das Kind setzte sich damit hinaus in den Hof. Wenn es aber anfieng zu essen, so kam die Hausunke aus einer Mauerritze hervor gekrochen, senkte ihr Köpfchen in die Milch und aß mit. Das Kind hatte seine Freude daran, und wenn es mit seinem Schüsselchen da saß, und die Unke kam nicht gleich herbei, so rief es ihr zu

„Unke, Unke, komm geschwind,
komm herbei, du kleines Ding,
sollst dein Bröckchen haben,
an der Milch dich laben.“

Da kam die Unke gelaufen und ließ es sich gut schmecken. Sie zeigte sich auch dankbar, denn sie brachte dem Kind aus ihrem heimlichen Schatz allerlei schöne Dinge, glänzende Steine, Perlen und goldene Spielsachen. Die Unke trank aber nur Milch und ließ die Brocken liegen. Da nahm das Kind einmal sein Löffelchen, schlug ihr damit sanft auf den Kopf und sagte „Ding, iß auch Brocken.“ Die Mutter, die in der Küche stand, hörte daß das Kind mit jemand sprach, und als sie sah daß es mit seinem Löffelchen nach einer Unke schlug, so lief sie mit einem Scheit Holz heraus und tödtete das gute Thier.

Von der Zeit an gieng eine Veränderung mit dem Kinde vor. Es war, so lange die Unke mit ihm gegessen hatte, groß und stark geworden, jetzt aber verlor es seine schönen rothen Backen und magerte ab. Nicht lange, so fieng in der Nacht der Todtenvogel an zu schreien, und das Rothkelchen sammelte Zweiglein und Blätter zu einem Todtenkranz, und bald hernach lag das Kind auf der Bahre.

II.

Ein Waisenkind saß an der Stadtmauer und spann, da sah es eine Unke aus einer Öffnung unten an der Mauer hervor kommen. Geschwind breitete es sein blau seidenes Halstuch neben sich aus, das die Unken gewaltig lieben und auf das sie allein gehen. Alsobald die Unke das erblickte, kehrte sie um, kam wieder und brachte ein kleines goldenes Krönchen getragen, legte es darauf und gieng dann wieder fort. Das Mädchen nahm die Krone auf, sie glitzerte und war von zartem Goldgespinnst. Nicht lange, so kam die Unke zum zweitenmal wieder: wie sie aber die Krone nicht mehr sah, kroch sie an die Wand und schlug vor Leid ihr Köpfchen so lange dawider, als sie nur noch Kräfte hatte, bis sie endlich todt da lag. Hätte das Mädchen die Krone liegen lassen, die Unke hätte wohl noch mehr von ihren Schätzen aus der Höhle herbeigetragen.

III.

Unke ruft „huhu, huhu,“ Kind spricht „komm herut.“ Die Unke kommt hervor, da fragt das Kind nach seinem Schwesterchen „hast du Rothstrümpfchen nicht gesehen?“ Unke sagt „ne, ik og nit: wie du denn? huhu, huhu, huhu.“



Die klugen Leute

104. Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm


Eines Tages holte ein Bauer seinen hagebüchnen Stock aus der Ecke und sprach zu seiner Frau „Trine, ich gehe jetzt über Land und komme erst in drei Tagen wieder zurück. Wenn der Viehhändler in der Zeit bei uns einspricht und will unsere drei Kühe kaufen, so kannst du sie losschlagen, aber nicht anders als für zweihundert Thaler, geringer nicht, hörst du.“ „Geh nur in Gottes Namen,“ antwortete die Frau, „ich will das schon machen.“ „Ja, du!“ sprach der Mann, „du bist als ein kleines Kind einmal auf den Kopf gefallen, das hängt dir bis auf diese Stunde nach. Aber das sage ich dir, machst du dummes Zeug, so streiche ich dir den Rücken blau an, und das ohne Farbe, bloß mit dem Stock den ich da in der Hand habe, und der Anstrich soll ein ganzes Jahr halten, darauf kannst du dich verlassen.“ Damit gieng der Mann seiner Wege.

Am andern Morgen kam der Viehhändler, und die Frau brauchte mit ihm nicht viel Worte zu machen. Als er die Kühe besehen hatte und den Preis vernahm, sagte er „das gebe ich gerne, so viel sind sie unter Brüdern werth. Ich will die Thiere gleich mitnehmen.“ Er machte sie von der Kette los und trieb sie aus dem Stall. Als er eben zum Hofthor hinaus wollte, faßte ihn die Frau am Ermel und sprach „ihr müßt mir erst die zweihundert Thaler geben, sonst kann ich Euch nicht gehen lassen.“ „Richtig,“ antwortete der Mann, „ich habe nur vergessen meine Geldkatze umzuschnallen. Aber macht Euch keine Sorge, ihr sollt Sicherheit haben, bis ich zahle. Zwei Kühe nehme ich mit und die dritte lasse ich Euch zurück, so habt Ihr ein gutes Pfand.“ Der Frau leuchtete das ein, sie ließ den Mann mit seinen Kühen abziehen und dachte „wie wird sich der Hans freuen, wenn er sieht daß ich es so klug gemacht habe.“ Der Bauer kam den dritten Tag, wie er gesagt hatte, nach Haus und fragte gleich ob die Kühe verkauft wären. „Freilich, lieber Hans,“ antwortete die Frau, „und wie du gesagt hast, für zweihundert Thaler. So viel sind sie kaum werth, aber der Mann nahm sie ohne Widerrede.“ „Wo ist das Geld?“ fragte der Bauer. „Das Geld das habe ich nicht,“ antwortete die Frau, „er hatte gerade seine Geldkatze vergessen, wirds aber bald bringen; er hat mir ein gutes Pfand zurück gelassen.“ „Was für ein Pfand?“ fragte der Mann. „Eine von den drei Kühen, die kriegt er nicht eher, als bis er die andern bezahlt hat. Ich habe es klug gemacht, ich habe die kleinste zurück behalten, die frißt am wenigsten.“ Der Mann ward zornig, hob seinen Stock in die Höhe und wollte ihr damit den verheißenen Anstrich geben. Plötzlich ließ er ihn sinken und sagte „du bist die dummste Gans, die auf Gottes Erdboden herum wackelt, aber du dauerst mich. Ich will auf die Landstraße gehen und drei Tage lang warten ob ich Jemand finde, der noch einfältiger ist als du bist. Glückt mirs, so sollst du frei sein, finde ich ihn aber nicht, so sollst du deinen wohl verdienten Lohn ohne Abzug erhalten.“

Er gieng hinaus auf die große Straße, setzte sich auf einen Stein und wartete auf die Dinge, die kommen sollten. Da sah er einen Leiterwagen heran fahren, und eine Frau stand mitten darauf, statt auf dem Gebund Stroh zu sitzen, das dabei lag, oder neben den Ochsen zu gehen und sie zu leiten. Der Mann dachte „das ist wohl eine, wie du sie suchst,“ sprang auf und lief vor dem Wagen hin und her, wie einer der nicht recht gescheidt ist. „Was wollt ihr Gevatter,“ sagte die Frau zu ihm, „ich kenne euch nicht, von wo kommt Ihr her?“ „Ich bin von dem Himmel gefallen,“ antwortete der Mann, „und weiß nicht wie ich wieder hin kommen soll; könnt ihr mich nicht hinauf fahren?“ „Nein,“ sagte die Frau, „ich weiß den Weg nicht. Aber wenn Ihr aus dem Himmel kommt, so könnt Ihr mir wohl sagen wie es meinem Mann geht, der schon seit drei Jahren dort ist: Ihr habt ihn gewis gesehen?“ „Ich habe ihn wohl gesehen, aber es kann nicht allen Menschen gut gehen. Er hütet die Schafe, und das liebe Vieh macht ihm viel zu schaffen, das springt auf die Berge und verirrt sich in der Wildnis, und da muß er hinterher laufen und es wieder zusammen treiben. Abgerissen ist er auch, und die Kleider werden ihm bald vom Leib fallen. Schneider gibt es dort nicht, der heil. Petrus läßt keinen hinein, wie Ihr aus dem Märchen wißt.“ „Wer hätte sich das gedacht!“ rief die Frau, „wißt Ihr was? ich will seinen Sonntagsrock holen, der noch daheim im Schrank hängt, den kann er dort mit Ehren tragen. Ihr seid so gut und nehmt ihn mit.“ „Das geht nicht wohl,“ antwortete der Bauer, „Kleider darf man nicht in den Himmel bringen, die werden einem vor dem Thor abgenommen.“ „Hört mich an,“ sprach die Frau, „ich habe gestern meinen schönen Weizen verkauft und ein hübsches Geld dafür bekommen, das will ich ihm schicken. Wenn Ihr den Beutel in die Tasche steckt, so wirds kein Mensch gewahr.“ „Kanns nicht anders sein,“ erwiderte der Bauer, „so will ich Euch wohl den Gefallen thun.“ „Bleibt nur da sitzen,“ sagte sie, „ich will heim fahren und den Beutel holen; ich bin bald wieder hier. Ich setze mich nicht auf das Bund Stroh, sondern stehe auf dem Wagen, so hats das Vieh leichter.“ Sie trieb ihre Ochsen an, und der Bauer dachte, „die hat Anlage zur Narrheit, bringt sie das Geld wirklich, so kann meine Frau von Glück sagen, denn sie kriegt keine Schläge.“ Es dauerte nicht lange, so kam sie gelaufen, brachte das Geld und steckte es ihm selbst in die Tasche. Eh sie weggieng, dankte sie ihm noch tausendmal für seine Gefälligkeit.

Als die Frau wieder heim kam, so fand sie ihren Sohn, der aus dem Feld zurück gekehrt war. Sie erzählte ihm was sie für unerwartete Dinge erfahren hätte und setzte dann hinzu „ich freue mich recht daß ich Gelegenheit gefunden habe, meinem armen Mann etwas zu schicken, wer hätte sich vorgestellt, daß er im Himmel an etwas Mangel leiden würde?“ Der Sohn war in der größten Verwunderung, „Mutter,“ sagte er, „so einer aus dem Himmel kommt nicht alle Tage, ich will gleich hinaus und sehen daß ich den Mann noch finde: der muß mir erzählen wies dort aussieht und wies mit der Arbeit geht.“ Er sattelte das Pferd und ritt in aller Hast fort. Er fand den Bauer, der unter einem Weidenbaum saß und das Geld, das im Beutel war, zählen wollte. „Habt Ihr nicht den Mann gesehen,“ rief ihm der Junge zu, „der aus dem Himmel gekommen ist?“ „Ja,“ antwortete der Bauer, „der hat sich wieder auf den Rückweg gemacht und ist den Berg dort hinauf gegangen, von wo ers etwas näher hat. Ihr könnt ihn noch einholen, wenn Ihr scharf reitet.“ „Ach,“ sagte der Junge, „ich habe mich den ganzen Tag abgeäschert, und der Ritt hierher hat mich vollends müde gemacht: Ihr kennt den Mann, seid so gut und setzt Euch auf mein Pferd und überredet ihn daß er hierher kommt.“ „Aha,“ meinte der Bauer, „das ist auch einer, der keinen Dacht in seiner Lampe hat.“ „Warum sollte ich Euch den Gefallen nicht thun?“ sprach er, stieg auf und ritt im stärksten Trab fort. Der Junge blieb sitzen bis die Nacht einbrach, aber der Bauer kam nicht zurück. „Gewis,“ dachte er, „hat der Mann aus dem Himmel große Eile gehabt und nicht umkehren wollen, und der Bauer hat ihm das Pferd mitgegeben, um es meinem Vater zu bringen.“ Er gieng heim und erzählte seiner Mutter was geschehen war: das Pferd habe er dem Vater geschickt, damit er nicht immer herum zu laufen brauche. „Du hast wohl gethan,“ antwortete sie, „du hast noch junge Beine und kannst zu Fuß gehen.“

Als der Bauer nach Haus gekommen war, stellte er das Pferd in den Stall neben die verpfändete Kuh, gieng dann zu seiner Frau und sagte „Trine, das war dein Glück, ich habe zwei gefunden, die noch einfältigere Narren sind als du: diesmal kommst du ohne Schläge davon, ich will sie für eine andere Gelegenheit aufsparen.“ Dann zündete er seine Pfeife an, setzte sich in den Großvaterstuhl und sprach „das war ein gutes Geschäft, für zwei magere Kühe ein glattes Pferd und dazu einen großen Beutel voll Geld. Wenn die Dummheit immer so viel einbrächte, so wollte ich sie gerne in Ehren halten.“ So dachte der Bauer, aber dir sind gewis die einfältigen lieber.





Der Zaunkönig und der Bär

102. Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm


Zur Sommerszeit giengen einmal der Bär und der Wolf im Wald spazieren, da hörte der Bär so schönen Gesang von einem Vogel, und sprach „Bruder Wolf, was ist das für ein Vogel, der so schön singt?“ „Das ist der König der Vögel,“ sagte der Wolf, „vor dem müssen wir uns neigen;“ es war aber der Zaunkönig. „Wenn das ist,“ sagte der Bär, „so möcht ich auch gerne seinen königlichen Palast sehen, komm und führe mich hin.“ „Das geht nicht so, wie du meinst,“ sprach der Wolf, „du mußt warten bis die Frau Königin kommt.“ Bald darauf kam die Frau Königin, und hatte Futter im Schnabel, und der Herr König auch, und wollten ihre Jungen ätzen. Der Bär wäre gerne nun gleich hinterdrein gegangen, aber der Wolf hielt ihn am Ermel und sagte „nein, du mußt warten bis Herr und Frau Königin wieder fort sind.“ Also nahmen sie das Loch in Acht, wo das Nest stand, und trabten wieder ab. Der Bär aber hatte keine Ruhe, wollte den königlichen Palast sehen, und gieng nach einer kurzen Weile wieder vor. Da waren König und Königin richtig ausgeflogen: er guckte hinein und sah fünf oder sechs Junge, die lagen darin. „Ist das der königliche Palast!“ rief der Bär, „das ist ein erbärmlicher Palast! ihr seid auch keine Königskinder, ihr seid unehrliche Kinder.“ Wie das die jungen Zaunkönige hörten, wurden sie gewaltig bös, und schrien „nein, das sind wir nicht, unsere Eltern sind ehrliche Leute; Bär, das soll ausgemacht werden mit dir.“ Dem Bär und dem Wolf ward angst, sie kehrten um und setzten sich in ihre Höhlen. Die jungen Zaunkönige aber schrien und lärmten fort, und als ihre Eltern wieder Futter brachten, sagten sie „wir rühren kein Fliegenbeinchen an, und sollten wir verhungern, bis ihr erst ausgemacht habt ob wir ehrliche Kinder sind oder nicht: der Bär ist da gewesen, und hat uns gescholten.“ Da sagte der alte König „seid nur ruhig, das soll ausgemacht werden.“ Flog darauf mit der Frau Königin dem Bären vor seine Höhle und rief hinein „alter Brummbär warum hast du meine Kinder gescholten? das soll dir übel bekommen, das wollen wir in einem blutigen Krieg ausmachen.“ Also war dem Bären der Krieg angekündigt, und ward alles vierfüßige Gethier berufen, Ochs, Esel, Rind, Hirsch, Reh, und was die Erde sonst alles trägt. Der Zaunkönig aber berief alles was in der Luft fliegt; nicht allein die Vögel groß und klein, sondern auch die Mücken, Hornissen, Bienen und Fliegen mußten herbei.

Als nun die Zeit kam, wo der Krieg angehen sollte, da schickte der Zaunkönig Kundschafter aus, wer der kommandierende General des Feindes wäre. Die Mücke war die listigste von allen, schwärmte im Wald, wo der Feind sich versammelte, und setzte sich endlich unter ein Blatt auf den Baum, wo die Parole ausgegeben wurde. Da stand der Bär, rief den Fuchs vor sich und sprach „Fuchs, du bist der schlauste unter allem Gethier, du sollst General sein, und uns anführen.“ „Gut,“ sagte der Fuchs, „aber was für Zeichen wollen wir verabreden?“ Niemand wußte es. Da sprach der Fuchs „ich habe einen schönen langen buschigen Schwanz, der sieht aus fast wie ein rother Federbusch; wenn ich den Schwanz in die Höhe halte, so geht die Sache gut, und ihr müßt darauf los marschieren; laß ich ihn aber herunterhängen, so lauft was ihr könnt.“ Als die Mücke das gehört hatte, flog sie wieder heim und verrieth dem Zaunkönig alles haarklein.

Als der Tag anbrach, wo die Schlacht sollte geliefert werden hu, da kam das vierfüßige Gethier dahergerennt mit Gebraus, daß die Erde zitterte; Zaunkönig mit seiner Armee kam auch durch die Luft daher, die schnurrte, schrie und schwärmte daß einem angst und bange ward; und giengen sie da von beiden Seiten an einander. Der Zaunkönig aber schickte die Hornisse hinab, sie sollte sich dem Fuchs unter den Schwanz setzen und aus Leibeskräften stechen. Wie nun der Fuchs den ersten Stich bekam, zuckte er, daß er das eine Bein aufhob, doch ertrug ers und hielt den Schwanz noch in der Höhe: beim zweiten Stich mußt er ihn einen Augenblick herunter lassen: beim dritten aber konnte er sich nicht mehr halten, schrie und nahm den Schwanz zwischen die Beine. Wie das die Thiere sahen, meinten sie alles wäre verloren und fiengen an zu laufen, jeder in seine Höhle: und hatten die Vögel die Schlacht gewonnen.

Da flog der Herr König und die Frau Königin heim zu ihren Kindern, und riefen „Kinder, seid fröhlich, eßt und trinkt nach Herzenslust, wir haben den Krieg gewonnen.“ Die jungen Zaunkönige aber sagten „noch essen wir nicht, der Bär soll erst vors Nest kommen und Abbitte thun und soll sagen daß wir ehrliche Kinder sind.“ Da flog der Zaunkönig vor das Loch des Bären und rief „Brummbär, du sollst vor das Nest zu meinen Kindern gehen und Abbitte thun und sagen daß sie ehrliche Kinder sind, sonst sollen dir die Rippen im Leib zertreten werden.“ Da kroch der Bär in der größten Angst hin und that Abbitte. Jetzt waren die jungen Zaunkönige erst zufrieden, setzten sich zusammen, aßen und tranken und machten sich lustig bis in die späte Nacht hinein.





Dat Erdmänneken

91. Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm


Et was mal en rik Künig west, de hadde drei Döchter had, de wören alle Dage in den Schlottgoren spazeren gaen, un de Künig, dat was so en Leivhawer von allerhand wackeren Bömen west: un einen, den hadde he so leiv had, dat he denjenigen, de ümme en Appel dervon plückede, hunnerd Klafter unner de Eere verwünschede. Als et nu Hervest war, da worden de Appel an den einen Baume so raut ase Blaud. De drei Döchter gungen alle Dage unner den Baum un seihen to ov nig de Wind ’n Appel herunner schlagen hädde, awerst se fannen ir Levedage kienen, un de Baum de satt so vull, dat he breken wull, un de Telgen (Zweige) hungen bis up de Eere. Da gelustede den jungesten Künigskinne gewaldig un et segde to sinen Süstern „use Teite (Vater), de hett us viel to leiv, ase dat he us verwünschen deihe: ik glöve dat he dat nur wegen de frümden Lude dahen hat.“ Un indes plücked dat Kind en gans dicken Appel af un sprunk fur sinen Süstern un segde „a, nu schmecket mal, mine lewen Süsterkes, nu hew ik doch min Levedage so wat schones no nig schmecket.“ Da beeten de beiden annern Künigsdöchter auch mal in den Appel, un da versünken se alle drei deip unner de Eere, dat kien Haan mer danach krähete.

As et da Middag is, da wull se de Künig do Diske roopen, do sind se nirgends to finnen: he söket se so viel im Schlott un in Goren, awerst he kun se nig finnen. Da werd he so bedröwet un let dat ganse Land upbeien (aufbieten), un wer ünne sine Döchter wier brechte, de sull ene davon tor Fruen hewen. Da gahet so viele junge Lude uwer Feld un söket, dat is gans ut der Wiese (über alle Maßen), denn jeder hadde de drei Kinner geren had, wiil se wören gegen jedermann so fründlig un so schön von Angesichte west. Un et togen auck drei Jägerburschen ut, un ase da wol en acht Dage rieset hadden, da kummet se up en grot Schlot, da woren so hübsche Stoben inne west, un in einen Zimmer is en Disch decket, darup wören so söte Spisen, de sied noch so warme dat se dampet, awerst in den ganzen Schlott is kien Minsk to hören noch to seihen. Do wartet se noch en halwen Dag, un de Spiesen bliewet immer warme un dampet, bis up et lest, da weret se so hungerig, dat se sik derbie settet un ettet, un macket mit en anner ut, se wüllen up den Schlotte wuhnen bliewen, un wüllen darümme loosen, dat eine in Huse blev un de beiden annern de Dochter söketen; dat doet se auck, un dat Loos dreppet den ölesten. Den annern Dag da gaet de twei jüngesten söken, un de öleste mot to Huse bliewen. Am Middage kümmt der so en klein klein Männeken un hölt um ’n Stükesken Braud ane, da nümmt he von dem Braude, wat he da funnen hädde, un schnitt en Stücke rund umme den Braud weg un will ünne dat giewen, indes dat he et ünne reiket, lett et dat kleine Männeken fallen un segd he sulle dok so gut sin un giewen ün dat Stücke wier. Da will he dat auck doen un bucket sik, mit des nümmt dat Männeken en Stock un päckt ünne bie den Haaren un giwt ünne düete Schläge. Den anneren Dag, da is de tweide to Hus bliewen, den geit et nicks better. Ase de beiden annern da den Avend nah Hus kümmet, da segd de öleste „no, wie hätt et die dann gaen?“ „O, et geit mie gans schlechte.“ Da klaget se sik enanner ere Naud, awerst den jungesten hadden se nicks davonne sagd, den hadden se gar nig lien (leiden) mogt un hadden ünne jummer den dummen Hans heiten, weil he nig recht van de Weld was. Den dritten Dag, da blivt de jungeste to Hus, da kümmet dat kleine Männeken wier un hölt um en Stücksken Braud an; da he ünne dat giewen hätt, let he et wier fallen un segd he mügte dock so gut sien un reicken ünne dat Stücksken wier. Da segd he to den kleinen Männeken „wat! kannst du dat Stücke nig sulwens wier up nümmen, wenn du die de Möhe nig mal um dine dägliche Narunge giewen wust, so bist du auck nich werth, dat du et etest.“ Da word dat Männeken so bös un sehde he möst et doen: he awerst nig fuhl, nam min lewe Männeken un drosch et duet dör (tüchtig durch). Da schriege dat Männeken so viel un rep „hör up, hör up, un lat mie geweren, dann will ik die auck seggen wo de Künigsdöchter sied.“ Wie he dat hörde, häll hei up to slaen, un dat Männeken vertelde he wör en Erdmänneken, un sulke wären mehr ase dusend, he mögte man mit ünne gaen, dann wulle he ünne wiesen wo de Künigsdöchter weren. Da wist he ünne en deipen Born, da is awerst kien Water inne west. Da segd dat Männeken he wuste wohl dat et sine Gesellen nig ehrlich mit ünne meinten, wenn he de Künigskinner erlösen wulle, dann möste he et alleine doen. De beiden annern Broer wullen wohl auck geren de Künigsdöchter wier hewen, awerst se wullen der kiene Möge un Gefahr umme doen, he möste so en grauten Korv nümmen, un möste sik mit sinen Hirschfänger un en Schelle darinne setten un sik herunter winnen laten: unnen da wören drei Zimmer, in jeden sette ein Künigskind un hädde en Drachen mit villen Köppen to lusen, den möste he de Köppe afschlagen. Ase dat Erdmänneken nu dat alle sagd hadde, verschwand et. Ase’t Awend is, da kümmet de beiden annern un fraget wie et ün gaen hädde, da segd he „o, so wit gud,“ un hädde keinen Minsken sehen, ase des Middags, da wer so ein klein Männeken kummen, de hädde ün umme en Stücksken Braud biddit, do he et ünne giewen hädde, hädde dat Männeken et fallen laten un hädde segd he mögtet ünne doch wier up nümmen, wie he dat nig hädde doen wullt, da hädde et anfangen to puchen, dat hädde he awerst unrecht verstan un hädde dat Männeken prügelt, un da hädde et ünne vertellt wo de Künigsdöchter wären. Da ärgerten sik de beiden so viel, dat se gehl un grön wören. Den annern Morgen da gungen se to haupe an den Born un mackten Loose, wer sik dat erste in den Korv setten sulle, da feel dat Loos wier den öllesten to, he mot sik darin setten un de Klingel mitnümmen. Da segd he „wenn ik klingele, so mutt gi mik nur geschwinne wier herupwinnen.“ Ase he en bitken herunner is, da klingelte wat, da winnen se ünne wier heruper: da sett sik de tweide herinne, de maket ewen sau: nu kümmet dann auck de Riege an den jungesten, de lät sik awerst gans drinne runner winnen. Ase he ut den Korve stiegen is, da nümmet he sinen Hirschfänger un geit vor der ersten Doer staen un lustert, da hort he den Drachen gans lute schnarchen. He macket langsam de Döre oppen, da sitt da de eine Künigsdochter un häd op eren Schot niegene (neun) Drachenköppe ligen un luset de. Da nümmet he sinen Hirschfänger un hogget to, da siet de niegne Koppe awe. De Künigsdochter sprank up un fäl ünne um den Hals un drucket un piepete (küßte) ünn so viel, un nümmet ihr Bruststücke, dat wor von rauen Golle west, un henget ünne dat umme. Da geit he auck nach der tweiden Künigsdochter, de häd en Drachen mit sieven Köppe to lusen un erlöset de auck, so de jungeste, de hadde en Drachen mit viere Köppen to lusen had, da geit he auck hinne. Do froget se sich alle so viel, un drucketen un piepeten ohne uphören. Da klingelte he sau harde, bis dat se owen hört. Da set he de Künigsdöchter ein nach der annern in den Korv un let se alle drei heruptrecken, wie nu an ünne de Riege kümmt, da fallet ün de Woore (Worte) von den Erdmänneken wier bie, dat et sine Gesellen mit ünne nig gut meinden. Da nümmet he en groten Stein, de da ligt un legt ün in den Korv, ase de Korv da ungefähr bis in de Midde herup is, schnien de falsken Broer owen dat Strick af, dat de Korv mit den Stein up den Grund füll, un meinten he wöre nu daude, un laupet mit de drei Künigsdöchter wege un latet sik dervan verspreken dat se an ehren Vater seggen willt dat se beiden se erlöset hädden; da kümmet se tom Künig, un begert se tor Frugen. Unnerdies geit de jungeste Jägerbursche gans bedröwet in den drei Kammern herummer un denket dat he nu wull sterwen möste, da süht he an der Wand ’n Fleutenpipe hangen, da segd he „worümme hengest du da wull, hier kann ja doch keiner lustig sin?“ He bekucket auck de Drachenköppe, un segd „ju künnt mie nu auck nig helpen.“ He geit so mannigmal up un af spatzeren, dat de Erdboden davon glat werd. Up et lest, da kriegt he annere Gedanken, da nümmet he de Fleutenpipen van der Wand un blest en Stücksken, up eenmahl kummet da so viele Erdmännekens, bie jeden Don, den he däht, kummt eint mehr: da blest he so lange dat Stücksken, bis det Zimmer stopte vull is. De fraget alle wat sin Begeren wöre, da segd he he wull geren wier up de Ere an Dages Licht, da fatten sie ünne alle an, an jeden Spir (Faden) Haar, wat he up sinen Koppe hadde, un sau fleiget se mit ünne herupper his up de Ere. Wie he owen is, geit he glick nach den Künigsschlott, wo grade de Hochtit mit der einen Künigsdochter sin sulle, un geit up den Zimmer, wo de Künig mit sinen drei Döchtern is. Wie ünne da de Kinner seihet, da wered se gans beschwämt (ohnmächtig). Da werd de Künig so böse un let ünne glick in een Gefängnisse setten, weil he meint he hädde den Kinnern en Leid anne daen. Ase awer de Künigsdöchter wier to sik kummt, da biddet se so viel he mogte ünne doch wier lose laten. De Künig fraget se worümme, da segd se dat se dat nig vertellen dorften, awerst de Vaer de segd se sullen et en Owen (Ofen) vertellen. Da geit he herut un lustert an de Döre un hört alles. Da lät he de beiden an en Galgen hängen, un den einen givt he de jungeste Dochter: un da trok ik en Paar gläserne Schohe an, un da stott ik an en Stein, da segd et „klink!“ da wören se caput.


Funklöcher und Frequenzstörungen

Der Familien Funk hilft explizit gegen Funklöcher und Frequenzstörungen.