Goethe Gedichte
Römische Elegien
Nos venerem tutam concessaque forta canemus,
Iuque meo nullum carmine crimen erit.
Erste Elegie
Saget Steine mir an, o! sprecht, ihr hohen Palläste.
Straßen redet ein Wort! Genius regst du dich nicht?
Ja es ist alles beseelt in deinen heiligen Mauern
Ewige Roma, nur mir schweiget noch alles so still.
O! wer flüstert mir zu, an welchem Fenster erblick ich
Einst das holde Geschöpf, das mich versengt und erquickt?
Ahnd’ ich die Wege noch nicht, durch die ich immer und immer,
Zu ihr und von ihr zu gehn, opfre die köstliche Zeit.
Noch betracht’ ich Palläst und Kirchen, Ruinen und Säulen,
Wie ein bedächtiger Mann sich auf der Reise beträgt.
Doch bald ist es vorbey, dann wird ein einziger Tempel,
Amors Tempel nur seyn, der den Geweihten empfängt.
Eine Welt zwar bist du, o Rom, doch ohne die Liebe
Wäre die Welt nicht die Welt, wäre denn Rom auch nicht Rom.
Zweyte Elegie
Ehret wen ihr auch wollt! Nun bin ich endlich geborgen!
Schöne Damen und ihr Herren der feineren Welt;
Fraget nach Oheim und Vettern und alten Muhmen und Tanten;
Und dem gebundnen Gespräch folge das traurige Spiel.
Auch ihr übrigen fahret mir wohl in großen und kleinen
Zirkeln, die ihr mich oft nah der Verzweiflung gebracht,
Wiederhohlet politisch und zwecklos jegliche Meynung,
Die den Wandrer mit Wuth über Europa verfolgt.
So verfolgte das Liedchen Malbrough den reisenden Britten
Einst von Paris nach Livorn, dann von Livorno nach Rom,
Weiter nach Napel hinunter und wär’ er nach Smyrna gesegelt;
Malbrough! empfieng ihn auch dort, Malbrough im Hafen das Lied.
Und so mußt’ ich bis jetzt, auf allen Tritten und Schritten,
Schelten hören das Volk, schelten der Könige Rath.
Nun entdeckt ihr mich nicht so bald in meinem Asyle,
Das mir Amor der Fürst königlich schützend verlieh.
Hier bedecket er mich mit seinem Fittig. Die Liebste
Fürchtet, römisch gesinnt, wüthende Gallier nicht,
Sie erkundigt sich nie nach neuer Mähre, sie spähet
Sorglich den Wünschen des Mannes, dem sie sich eignete, nach,
Sie erfreut sich an ihm, dem freyen rüstigen Fremden,
Der von Bergen und Schnee, hölzernen Häusern erzählt,
Theilt die Flammen, die sie in seinem Busen entzündet,
Freut sich, daß er das Gold nicht wie der Römer bedenkt.
Besser ist ihr Tisch nun bestellt, es fehlet an Kleidern,
Fehlet am Wagen ihr nicht, der nach der Oper sie bringt.
Mutter und Tochter erfreun sich ihres nordischen Gastes
Und der Barbare beherrscht römischen Busen und Leib.
Dritte Elegie
Laß dich, Geliebte, nicht reun, daß du so schnell dich ergeben,
Glaub’ es, ich denke nicht frech, denke nicht niedrig von dir.
Vielfach wirken die Pfeile des Amors, denn einige ritzen
Und vom schleichenden Gift kranket auf Jahre das Herz;
Aber mächtig befiedert, mit frisch geschliffner Schärfe,
Dringen die andern ins Mark, zünden auf einmal uns an.
In der heroischen Zeit, da Götter und Göttinnen liebten,
Folgte Begierde dem Blick, folgte Genuß der Begier;
Glaubst du, es habe sich lange die Göttinn der Liebe besonnen,
Als im Idäischen Hayn einst ihr Anchises gefiel?
Hätte Luna gesäumt den schönen Schläfer zu küssen;
O so hätt’ ihn geschwind neidend Aurora geweckt.
Hero erblickte Leandern beym lauten Fest und behende
Stürzte der Liebende sich heiß in die nächtliche Fluth.
Rhea Sylvia wandelt, die fürstliche Jungfrau, der Tyber
Wasser zu schöpfen hinab, und sie ergreifet der Gott.
So erzeugte sich Mars zwey Söhne! – die Zwillinge tränket
Eine Wölfinn, und Rom nennt sich die Fürstin der Welt.
Vierte Elegie
Fromm sind wir Liebende, still verehren wir alle Dämonen,
Wünschen uns jeglichen Gott, jegliche Göttinn geneigt.
Und so gleichen wir euch, o römische Sieger! den Göttern
Aller Völker der Welt bietet ihr Wohnungen an.
Habe sie schwarz und streng aus altem Granit der Egypter,
Oder ein Grieche sie weiß reizend aus Marmor geformt.
Doch verdrießet es nicht die Ewigen, wenn wir besonders
Weihrauch köstlicher Art Einer der Göttlichen streu’n.
Ja wir bekennen euch gern, es bleiben unsre Gebete,
Unser täglicher Dienst Einer besonders geweiht.
Schalkhaft, munter und ernst begehen wir heimliche Feste
Und das Schweigen geziemt allen Geweihten genau.
Eher lockten wir selbst an die Fersen, durch gräßliche Thaten,
Uns die Erinnyen her, wagten es eher des Zeus
Hartes Gericht an rollenden Rädern und Felsen zu dulden,
Als dem reizenden Dienst unser Gemüth zu entziehn.
Diese Göttin, sie heißt Gelegenheit! lernet sie kennen,
Sie erscheinet euch oft, immer in andrer Gestalt.
Tochter des Proteus möchte sie seyn, mit Thetis gezeuget,
Deren verwandelte List manchen Heroen betrog.
So betrügt nun die Tochter den Unerfahrnen, den Blöden,
Schlummernde necket sie stets, wachende fliegt sie vorbey;
Gern ergiebt sie sich nur dem raschen thätigen Manne,
Dieser findet sie zahm, spielend und zärtlich und hold.
Einst erschien sie auch mir, ein bräunliches Mädchen, die Haare
Fielen ihr dunkel und reich über die Stirne herab.
Kurze Locken ringelten sich ums zierliche Hälschen,
Ungeflochtenes Haar krauste vom Scheitel sich auf.
Und ich verkannte sie nicht, ergriff die Eilende, lieblich
Gab sie Umarmung und Kuß bald mir gelehrig zurück.
O wie war ich beglückt! – Doch stille, die Zeit ist vorüber,
Und umwunden bin ich römische Flechten von euch.
Fünfte Elegie
Froh empfind’ ich mich nun auf klassischem Boden begeistert,
Lauter und reizender spricht Vorwelt und Mitwelt zu mir.
Ich befolge den Rath, durchblättere die Werke der Alten
Mit geschäftiger Hand täglich mit neuem Genuß.
Aber die Nächte hindurch hält Amor mich anders beschäftigt,
Werd ich auch halb nur gelehrt, bin ich doch doppelt vergnügt.
Und belehr ich mich nicht? wenn ich des lieblichen Busens
Formen spähe, die Hand leite die Hüften hinab.
Dann versteh ich erst recht den Marmor, ich denk’ und vergleiche,
Sehe mit fühlendem Aug’, fühle mit sehender Hand.
Raubt die Liebste denn gleich mir einige Stunden des Tages;
Giebt sie Stunden der Nacht mir zur Entschädigung hin.
Wird doch nicht immer geküßt, es wird vernünftig gesprochen,
Ueberfällt sie der Schlaf, lieg ich und denke mir viel.
Oftmals hab’ ich auch schon in ihren Armen gedichtet
Und des Hexameters Maas, leise, mit fingernder Hand,
Ihr auf dem Rücken gezählt, sie athmet in lieblichem Schlummer
Und es durchglühet ihr Hauch mir bis ins tiefste die Brust.
Amor schüret indeß die Lampe und denket der Zeiten,
Da er den nämlichen Dienst seinen Triumvirn gethan.
Sechste Elegie
„Kannst du, o Grausame! mich in solchen Worten betrüben?
Reden so bitter und hart liebende Männer bey euch?
Wenn das Volk mich verklagt, ich muß es dulden und bin ich
Etwa nicht schuldig? Doch ach! schuldig nur bin ich mit dir!
Diese Kleider, sie sind der neidischen Nachbarinn Zeugen;
Daß die Wittwe nicht mehr einsam den Gatten beweint.
Bist du unvorsichtig nicht oft bey Mondschein gekommen?
Grau, im dunkeln Sûrtout, hinten gerundet das Haar?
Hast du dir scherzend nicht selbst die geistliche Maske gewählet?
Solls ein Prälate denn seyn! Gut, der Prälate bist du.
In dem geistlichen Rom, kaum scheint es glaublich, doch schwör ich
Nie hat ein Geistlicher sich meiner Umarmung gefreut.
Arm war ich leider, und jung und wohlbekannt den Verführern,
Falkonieri hat mir oft in die Augen gegafft,
Und die Kuppler Albanis mich mit gewichtigen Zetteln
Bald nach Ostia, bald nach den vier Brunnen gelockt.
Aber wer nicht kam, das war das Mädchen. So hab ich
Rothstrumpf immer gehaßt und Violettstrumpf dazu,
Denn ihr seyd am Ende doch nur betrogen! so sagte
Mir der Vater! wenn auch leichter die Mutter es nahm.
Und so bin ich denn doch am Ende betrogen! du zürnest
Nur zum Scheine mit mir, weil du zu fliehen gedenkst.
Geh! ihr seyd der Frauen nicht werth! wir tragen die Kinder
Unter dem Herzen, und so tragen die Treue wir auch;
Aber ihr Männer ihr schüttet, mit eurer Kraft und Begierde,
Auch die Liebe zugleich in den Umarmungen aus!“
Also sprach die Geliebte und nahm den Kleinen vom Stuhle,
Drückt ihn küssend ans Herz, Thränen entquollen dem Blick.
Und wie saß ich beschämt, daß Reden feindlicher Menschen
Dieses liebliche Bild mir zu beflecken vermocht.
Dunkel brennt das Feuer nur augenblicklich und dampfet,
Wenn das Wasser die Glut stürzend und gähling verhüllt.
Aber sie reinigt sich schnell, verjagt die trübenden Dämpfe,
Neuer und mächtiger dringt leuchtend die Flamme hinauf.
Siebente Elegie
O wie fühl ich in Rom mich so froh! Gedenk ich der Zeiten,
Da mich ein graulicher Tag hinten im Norden umfing,
Trübe der Himmel und schwer auf meinen Scheitel sich neigte,
Farb’ und gestaltlos die Welt um den Ermatteten lag,
Und ich über mein Ich, des unbefriedigten Geistes
Düstre Wege zu spähn, still in Betrachtung versank.
Nun umleuchtet der Glanz des hellen Aethers die Stirne,
Phöbus rufet, der Gott, Formen und Farben hervor.
Sternenhelle glänzet die Nacht, sie klingt von Gesängen
Und mir leuchtet der Mond heller als ehmals der Tag.
Welche Seligkeit ward mir Sterblichem! Träum’ ich? Empfänget
Dein ambrosisches Haus, Jupiter Vater, den Gast?
Ach! hier lieg’ ich und strecke nach deinen Knieen die Hände
Flehend aus. O! vernimm, Jupiter Xenius mich!
Wie ich hereingekommen, ich kanns nicht sagen, es faßte
Hebe den Wandrer und zog mich in die Hallen heran.
Hast du ihr einen Heroen herauf zu führen geboten?
Irrte die Schöne? Vergieb! Laß mir des Irrthums Gewinn!
Deine Tochter Fortuna sie auch! die herrlichsten Gaben
Theilet sie mädchenhaft aus, wie es die Laune gebeut.
Bist du der wirthliche Gott? O so verstosse den Gastfreund
Nicht von deinem Olymp wieder zur Erde hinab.
„Dichter! wo versteigst du dich hin?“ – Vergieb mir, der hohe
Capitolinische Berg ist dir ein zweyter Olymp.
Dulde mich Jupiter hier und Hermes führe mich später,
Cestius Denkmal vorbey, leise zum Orcus hinab.
Achte Elegie
Wenn du mir sagst du habest als Kind, Geliebte, den Menschen
Nicht gefallen und dich habe die Mutter verschmäht,
Bis du größer geworden und dich entwickelt, ich glaub’ es
Gerne denk’ ich in dir mir ein besonderes Kind.
So vermisset die Blüte des Weinstocks Farben und Bildung
Wenn die Beere gereift Menschen und Götter entzückt.
Neunte Elegie
Herbstlich leuchtet die Flamme vom ländlich geselligen Heerde,
Knistert und glänzend wie rasch, sausend vom Reisig empor!
Diesen Abend erfreut sie mich mehr, denn eh noch zur Kohle
Sich das Bündel verzehrt, unter die Asche sich neigt
Kommt mein liebliches Mädchen. Dann flammen Reisig und Scheite,
Und die erwärmte Nacht wird uns ein glänzendes Fest.
Morgen frühe geschäftig verläßt sie das Lager der Liebe,
Weckt aus der Asche behend Flammen aufs neue hervor.
Denn das gab ihr Amor vor vielen andern, die Freude
Wieder zu wecken, wenn sie still wie zu Asche versank.
Zehnte Elegie
Alexander und Cäsar und Heinrich und Friedrich die Großen
Gäben die Hälfte mir gern ihres erworbenen Ruhms,
Wenn ich ihnen dieß Lager auf eine Nacht nur vergönnte;
Aber die Armen, sie hält strenge des Orcus Gewalt.
Freue dich also Lebendger der lieberwärmenden Stätte,
Ehe den fliehenden Fuß schauerlich Lethe dir netzt.
Eilfte Elegie
Euch, o Grazien! legt ein Dichter die wenigen Blätter
Auf den reinen Altar, Knospen der Rose dazu.
Und er thut es getrost. Dahin bestrebt sich der Künstler
Daß die Werkstatt um ihn immer ein Pantheon sey.
Jupiter senket die göttliche Stirne und Juno erhebt sie,
Phöbus schreitet hervor, schüttelt das lockige Haupt,
Trocken schauet Minerva herab und Hermes der leichte
Wendet zur Seite den Blick, schalkhaft und zärtlich zugleich.
Aber nach Bacchus dem weichen, dem holden erhebet Cythere
Augen voll süßer Begier, selbst in dem Marmor noch feucht.
Sie gedenket seiner Umarmung und scheinet zu fragen:
Sollte der herrliche Sohn uns an der Seite nicht stehn?
Zwölfte Elegie
Hörest du, Liebchen! das muntre Geschrey den Flamminischen Weg her?
Schnitter sind es, sie ziehn wieder nach Hause zurück,
Weit von hier. Sie haben dem Römer die Erndte vollendet,
Der für Ceres den Kranz selber zu flechten verschmäht.
Keine Feste sind mehr der großen Göttinn gewidmet
Die statt Eicheln zur Kost goldenen Weizen verlieh.
Laß uns beyde das Fest im Stillen freudig begehen!
Ein versammeltes Volk, stellen zwey Liebende vor.
Hast du wohl jemals gehört von jener mystischen Feyer
Die von Eleusis hieher frühe dem Sieger gefolgt?
Griechen stifteten sie, und immer riefen nur Griechen
Selbst in den Mauern von Rom: „kommt zur geheiligten Nacht!“
Und es floh der Profane, da bebte der wartende Neuling,
Den ein weißes Gewand Zeichen der Unschuld umgab.
Wunderlich irrte darauf der Eingeführte durch Kreise
Seltner Gestalten, im Traum schien er zu wallen, denn hier
Wanden sich Schlangen am Boden des Tempels, verschlossene Kästchen,
Reich mit Aehren umkränzt, trugen hier Mädchen vorbey,
Vielbedeutend gebärdeten sich die Priester und summten,
Ungedultig und bang harrte der Lehrling auf Licht.
Erst nach vielen Proben, oft wiederkehrend, erfuhr er,
Was der geheiligte Kreiß seltsam in Bildern verbarg.
Und was war das Geheimniß? als daß Demeter die große
Sich gefällig einmal auch einem Helden bequemt,
Als sie dem edlen Jasion, dem rüstigen König der Kreter,
Ihres unsterblichen Leibs holdes Verborgne gegönnt.
Da war Kreta beglückt, das Hochzeitbette der Göttinn
Schwoll von Aehren und reich drückte den Acker die Saat.
Aber die übrige Welt verschmachtete, denn es versäumte
Ueber der Liebe Genuß Ceres den schönen Beruf.
Voll Erstaunen vernahm der Eingeweihte das Mädchen,
Winkte der Liebsten – verstehst du nun Geliebte den Wink?
Jene buschige Myrte beschattet ein heiliges Plätzchen;
Unsre Zufriedenheit bringt keine Gefärde der Welt.
Dreyzehnte Elegie
Amor bleibet ein Schalk, wer ihm vertraut ist betrogen!
Heuchlend kam er zu mir: „traue mir dießmal nur noch.
Redlich meyn’ ichs mit dir, du hast dein Leben und Dichten,
Dankbar erkenn’ ich es wohl, meiner Verehrung geweiht.
Siehe, dir bin ich nun gar nach Rom gefolget, ich möchte
Dir im fremden Gebiet gern was gefälliges thun.
Jeder Reisende klagt, er finde schlechte Bewirthung;
Welchen Amor empfiehlt köstlich bewirthet ist er.
Du betrachtest mit Staunen die Trümmern alter Gebäude,
Und durchwandelst mit Sinn diesen geheiligten Raum
Du verehrest noch mehr die werthen Reste des Bildens
Einziger Künstler, die ich stets in der Werkstatt besucht.
Diese Gestalten, ich lehrte sie formen. Verzeih mir, ich prahle
Dießmal nicht, du gestehst, was ich dir sage sey wahr.
Nun du mir läßiger dienst wo sind die schönen Gestalten,
Wo die Farben, der Glanz deiner Erfindungen hin?
Denkst du Freund nun wieder zu bilden; die Schule der Griechen
Blieb noch offen, das Thor schlossen die Jahre nicht zu.
Ich der Lehrer bin ewig jung und liebe die Jungen.
Nicht so altklug gethan! Munter! Begreife mich wohl!
Das Antike war neu da jene Glückliche lebten,
Lebe glücklich und so lebe die Vorzeit in dir.
Stoff zum Liede, wo nimmst du ihn her? Ich muß dir ihn geben,
Und den höheren Styl lehret die Liebe dich nur.“
Also sprach der Sophiste. Wer widerspräch ihm? und leider
Bin ich zu folgen gewöhnt, wenn der Gebieter befiehlt. –
Nun verrätherisch hält er sein Wort, giebt Stoff zu Gesängen,
Ach und raubt mir die Zeit, Kraft und Besinnung zugleich,
Blicke, Händedruck, und Küsse, gemüthliche Worte,
Sylben köstlichen Sinns wechselt ein liebendes Paar.
Da wird ein Lispeln Geschwätze, da wird ein Stottern zur Rede,
Solch ein Hymnus verhallt ohne prosodisches Maas.
Dich Aurora wie kannt ich dich sonst als Freundinn der Musen!
Hat Aurora dich auch Amor der lose verführt?
Du erscheinst mir nun als seine Freundinn und weckest
Mich an seinem Altar, wieder zum festlichen Tag.
Find ich die Fülle der Locken an meinem Busen! das Köpfchen
Ruhet und drucket den Arm, der sich dem Halse bequemt.
Welch ein freudig Erwachen! Erhieltet ihr ruhige Stunden
Mir das Denkmal der Lust, die in den Schlaf uns gewiegt! –
Sie bewegt sich im Schlummer und sinkt auf die Breite des Lagers
Weggewendet und doch läßt sie mir Hand noch in Hand.
Herzliche Liebe verbindet uns immer und treues Verlangen,
Und den Wechsel behielt nur die Begierde sich vor.
Einen Druck der Hand, ich sehe die himmlischen Augen
Wieder offen. – O nein! Laßt auf der Bildung mich ruhn!
Bleibt geschlossen! ihr macht mich verworren und trunken, ihr raubet
Mir den stillen Genuß reiner Betrachtung zu früh.
Diese Formen wie groß! Wie edel gewendet die Glieder!
Schlief Ariadne so schön, Theseus du konntest entfliehn?
Einen Kuß nur auf diese Lippen! O Theseus! nun scheide! – –
Blick ihr ins Auge! Sie wacht! – Ewig nun hält sie dich fest.
Vierzehnte Elegie
Zünde Licht an, o Knabe! – „Noch ist es hell, ihr verzehret
Oel und Docht nur umsonst. Schlieset die Läden doch nicht!
Hinter die Häuser verbarg sich die Sonne, nicht hinter die Berge,
Noch ein halb Stündchen vergeht bis zum Geläute der Nacht.“ –
Unglückseliger! geh und gehorche! Mein Mädchen erwart’ ich,
Tröste mich Lämpchen indeß lieblicher Bote der Nacht.
Fünfzehnte Elegie
Cäsarn wär ich wohl nie zu den Britanen gefolget,
Florus hätte mich leicht in die Popine geschleppt!
Denn mir bleiben weit mehr die Nebel des traurigen Nordens
Als ein geschäftiges Volk südlicher Flöhe verhaßt.
Und noch schöner, von heut an, seyd mir gegrüßet ihr Schenken,
Osterieen, wie euch schicklich der Römer benennt,
Denn ihr zeigtet mir heute die Liebste vom Oheim begleitet,
Den die Gute so oft, mich zu besitzen, betrügt.
Hier stand unser Tisch, den Deutsche vertraulich umgaben,
Drüben suchte das Kind neben der Mutter den Platz,
Rückte vielmals die Bank und wußt es artig zu machen,
Daß ich halb ihr Gesicht, völlig den Nacken gewann.
Lauter sprach sie, als hier die Römerinn pfleget, credenzte,
Blickte rükwärts nach mir, goß und verfehlte das Glas,
Wein floß über den Tisch und sie, mit zierlichem Finger,
Zog auf dem hölzernen Blatt Kreise der Feuchtigkeit hin.
Meinen Nahmen verschlang sie mit ihrem, immer begierig
Immer dem Fingerchen nach und sie bemerkte mich wohl.
Endlich zog sie behende das Zeichen der römischen Fünfe
Und ein Strichlein davor; schnell und sobald ichs gesehn
Schlang sie Kreise durch Kreise, die Lettern und Ziffern zu löschen,
Aber die köstliche Vier blieb mir ins Auge geprägt.
Stumm war ich sitzen geblieben und biß die glühende Lippe
Halb aus Schalkheit und Lust, halb aus Begierde mir wund.
Noch so lange bis Nacht! dann noch vier Stunden zu warten!
Hohe Sonne du weilst und du beschauest dein Rom!
Grösseres sahest du nichts und wirst nichts grösseres sehen,
Wie es dein Priester Horaz in der Entzückung versprach.
Aber heute verweile nicht länger und wende die Blicke
Von dem Siebengebirg früher und williger ab.
Einem Dichter zu Liebe verkürze die herrlichen Stunden,
Die mit begierigem Blick selig der Mahler genießt,
Glühend blicke noch schnell zu diesen hohen Facaden,
Kuppeln und Säulen zuletzt und Obelisken herauf;
Stürze dich eilig ins Meer, um Morgen früher zu sehen
Was du, mit göttlicher Lust, viele Jahrhunderte sahst.
Diese feuchte mit Rohr so lange bewachsnen Gestade,
Diese mit Bäumen und Busch düster beschatteten Höhn,
Wenig Hütten zeigten sie dir, dann sahst du auf einmal
Sie vom wimmelnden Volk glücklicher Räuber belebt.
Alles schleppten sie dann an diese Stätte zusammen,
Kaum war das übrige Rund deiner Betrachtung noch werth,
Sahst eine Welt hier entstehn, dann eine Welt hier in Trümmern,
Aus den Trümmern aufs neu fast eine größere Welt.
Daß ich diese noch lange, von dir beleuchtet, erblicke
Spinne die Parze mir klug langsam den Faden herab;
Aber sie eile herbey die schön bezeichnete Stunde! –
Glücklich! Hör ich sie schon? Nein, doch ich höre schon Drey.
So, ihr lieben Musen, betrogt ihr wieder die Länge
Dieser Weile die mich von der Geliebten getrennt.
Lebet wohl! nun eil ich und fürcht euch nicht zu beleidigen,
Denn ihr Stolzen, ihr gebt Amorn doch immer den Rang.
Sechszehnte Elegie
„Warum bist du Geliebter nicht heute zur Vigne gekommen?
Wie ich dir es versprach wartet’ ich einsam auf dich.“ –
„Beste, schon war ich hinein, da sah ich zum Glücke den Oheim
Neben den Stöcken bemüht, hinwärts und herwärts sich drehn;
Schleichend eilt ich hinaus!“ – O welch ein Irrthum ergriff dich!
Nur ein Vogelscheu war’s was dich vertrieb! die Gestalt
Flickt er emsig zusammen aus alten Kleidern und Rohren,
Ach! ich half ihm daran, selbst mir zu schaden bemüht.
Nun! sein Wunsch ist erfüllt, er hat den losesten Vogel
Heute verscheuchet, der ihm Gärtchen und Nichte bestielt.
Siebzehnte Elegie
Manche Töne sind mir zuwider, doch bleibet am meisten
Hundegebell mir verhaßt, kläffend zerreist es mein Ohr.
Einen Hund nur hör’ ich sehr oft mit frohem Behagen
Bellend kläffen, den Hund den sich der Nachbar erzog.
Denn er bellte mir einst mein Mädchen an, das sich heimlich
Zu mir stahl und verrieth unser Geheimniß beynah.
Jetzo, hör’ ich ihn bellen, so denk ich nur immer sie kommt wohl,
Oder ich denke der Zeit, da die Erwartete kam.
Achtzehnte Elegie
Eines ist mir verdrießlich vor allen Dingen, ein andres
Bleibt mir abscheulich, empört jegliche Faser in mir,
Nur der bloße Gedanke. Ich will es euch Freunde gestehen:
Gar verdrießlich ist mir einsam das Lager zu Nacht.
Aber ganz abscheulich ists auf dem Wege der Liebe
Schlangen zu fürchten und Gift unter den Rosen der Lust;
Wenn im schönsten Moment der hin sich gebenden Freude
Deinem sinkenden Haupt lispelnde Sorge sich naht.
Darum macht mich Faustine so glücklich, sie theilet das Lager
Gerne mit mir und bewahrt Treue dem Treuen genau.
Reitzendes Hinderniß will die rasche Jugend, ich liebe
Mich des versicherten Guts lange bequem zu erfreun.
Welche Seligkeit ists! wir wechseln sichere Küsse,
Athem und Leben getrost saugen und flösen wir ein.
So erfreuen wir uns der langen Nächte, wir lauschen,
Busen an Busen gedrängt, Stürmen und Regen und Guß.
So erscheinet uns wieder der Morgen, es bringen die Stunden
Neue Blumen herbey, schmücken uns festlich den Tag.
Gönnet mir, o Quiriten! das Glück, und jedem gewähre
Aller Güter der Welt erstes und letztes der Gott.
Neunzehnte Elegie
Schwer erhalten wir uns den guten Nahmen, denn Fama
Steht mit Amorn, ich weiß, meinem Gebieter im Streit.
Wißt auch ihr woher es entsprang, daß beyde sich hassen?
Alte Geschichten sind das und ich erzähle sie wohl.
Immer war sie die mächtige Göttinn, doch für die Gesellschaft
Unerträglich, denn gern führt sie das herrschende Wort,
Und so war sie von je, bey allen Götter-Gelagen,
Mit der Stimme von Erz, Großen und Kleinen verhaßt.
So berühmte sie einst sich übermüthig, sie habe
Jovis herrlichen Sohn ganz sich zum Sclaven gemacht.
„Meinen Herkules führ ich dereinst, o Vater der Götter!
Rief triumphirend sie aus, wiedergebohren dir zu.
Es ist nicht Herkules mehr den dir Alcmene gebohren,
Seine Verehrung für mich macht ihn auf Erden zum Gott.
Schaut er nach dem Olymp, so glaubst du er schaue nach deinen
Mächtigen Knieen, vergieb! Nur in den Aether nach mir
Blickt der würdigste Mann. Mich zu verdienen durchschreitet
Leicht sein mächtiger Fuß Bahnen die keiner betrat.
Aber auch ich begegn’ ihm auf seinen Wegen und preise
Seinen Nahmen voraus, eh’ er die That noch beginnt.
Mich vermählst du ihm einst, der Amazonen Besieger
Werd auch meiner, und ihn nenn ich mit Freuden Gemahl!“
Alles schwieg, sie mogten nicht gern die Prahlerinn reitzen,
Denn sie denkt sich, erzürnt, leicht was gehässiges aus.
Amorn bemerkte sie nicht, er schlich bey Seite, den Helden
Bracht er mit weniger Kunst unter der Schönsten Gewalt.
Nun vermummt er sein Paar, ihr hängt er die Bürde des Löwen
Ueber die Schultern und lehnt mühsam die Keule dazu.
Drauf bespickt er mit Blumen des Helden sträubende Haare,
Reichet den Rocken der Faust, die sich dem Scherze bequemt.
So vollendet er bald die neckische Gruppe, dann läuft er,
Ruft durch den ganzen Olymp: herrliche Thaten geschehn!
Nie hat Erd und Himmel die unermüdete Sonne
Hat auf der ewigen Bahn keines der Wunder erblickt.
Alles eilte, sie glaubten dem losen Knaben, denn ernstlich
Hatt’ er gesprochen und auch Fama, sie blieb nicht zurück.
Wer sich freute den Mann so tief erniedrigt zu sehen
Denkt ihr! Juno! Es galt Amorn ein freundlich Gesicht.
Fama daneben wie stand sie beschämt, verlegen, verzweifelnd!
Anfangs lachte sie nur: „Masken, ihr Götter sind das!
Meinen Helden ich kenn ihn besser, es haben Tragöden
Uns zum besten!“ Doch bald sah sie mit Schmerzen er war’s!
Nicht den tausendsten Theil verdroß es Vulcanen sein Weibchen
Mit dem rüstigen Freund unter den Maschen zu sehn,
Als das verständige Netz im rechten Moment sie umfaßte,
Die Verschlungnen umschlang, fest die Genießenden hielt.
Wie sich die Jünglinge freuten! Merkur und Bacchus! Sie beyde
Mußten gestehen, es sey über dem Busen zu ruhn
Dieses herrlichen Weibes ein schöner Gedanke. Sie baten:
Löse Vulkan sie noch nicht! Laß sie noch einmal besehn.
Und der Alte war so Hahnrey und hielt sie nur fester.
Aber Fama sie floh rasch und voll Grimmes davon.
Seit der Zeit ist zwischen den beyden nicht Stillstand der Fehde,
Wie sie sich Helden erwählt, gleich ist der Knabe darnach,
Wer sie am höchsten verehrt, den weiß er am besten zu fassen,
Und den Sittlichsten greift er am gefährlichsten an.
Will ihm einer entgehn, den bringt er vom Schlimmen ins Schlimmste.
Mädchen bietet er an, wer sie ihm thörigt verschmäht
Muß erst grimmige Pfeile von seinem Bogen erdulten;
Mann erhitzt er auf Mann, treibt die Begierden aufs Thier,
Wer sich seiner schämt, der muß erst leiden, dem Heuchler
Streut er bittern Genuß unter Verbrechen und Noth.
Aber auch sie die Göttinn verfolgt ihn mit Augen und Ohren,
Sieht sie ihn einmal bey dir; gleich ist sie feindlich gesinnt,
Schreckt dich mit ernstem Blick, verachtenden Minen und heftig
Strenge verruft sie das Haus das er gewöhnlich besucht.
Und so geht es auch mir, schon leid ich ein wenig; die Göttinn
Eifersüchtig sie forscht meinem Geheimnisse nach.
Doch es ist ein altes Gesetz, ich schweig und verehre,
Denn der Könige Zwist büßten die Griechen, wie ich.
Zwanzigste Elegie
Zieret Stärke den Mann, und freyes muthiges Wesen,
O so ziemet ihm fast tiefes Geheimniß noch mehr.
Städtebezwingerinn, du Verschwiegenheit! Fürstinn der Völker!
Theure Göttinn, die mich sicher durchs Leben geführt,
Welches Schicksal erfahr ich! Es löset scherzend die Muse,
Amor löset, der Schalk! mir den verschlossenen Mund.
Ach! schon wird es so schwer der Könige Schande verbergen!
Weder die Krone bedeckt, weder ein phrygischer Bund
Midas verlängertes Ohr, der nächste Diener entdeckt es
Und ihm ängstet und drückt gleich das Geheimniß die Brust;
In die Erde möcht’ ers vergraben, um sich zu erleichtern,
Doch die Erde verwahrt solche Geheimnisse nicht;
Rohre sprießen hervor und rauschen und lispeln im Winde:
Midas! Midas, der Fürst, trägt ein verlängertes Ohr!
Schwerer wird es nun mir ein schönes Geheimniß zu wahren
Ach den Lippen entquillt Fülle des Herzens so leicht!
Keiner Freundinn darf ichs vertrauen, sie möchte mich schelten,
Keinem Freunde, vielleicht brächte der Freund mir Gefahr,
Mein Entzücken dem Hayn, dem schallenden Felsen zu sagen
Bin ich endlich nicht jung, bin ich nicht einsam genug.
Dir Hexameter, dir Pentameter sey es vertrauet
Wie sie des Tags mich erfreut, wie sie des Nachts mich beglückt.
Sie von vielen Männern gesucht, vermeidet die Schlingen
Die ihr der Kühnere frech, heimlich der Listige legt,
Klug und zierlich schlüpft sie vorbey und kennet die Wege
Wo sie der Liebste gewiß lauschend begierig empfängt.
Zaudre Luna! sie kommt! daß sie der Nachbar nicht sehe,
Rausche Lüftchen durchs Laub, niemand vernehme den Tritt.
Und ihr, wachset und blüht, geliebte Lieder und wieget
Euch im leisesten Hauch lauer und liebender Luft,
Und, wie jenes Rohr geschwätzig, entdeckt den Quiriten
Eines glücklichen Paars schönes Geheimniß zuletzt.
Altrömisches Wissen
Lateinische Sprichwörter
Seneca Zitate
Tags: Goethe Gedicht Römische Elegien, Römische Elegien
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